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Revolutionsjahr 2011: Frühlings Erwachen

Von Ägypten über Gaza bis Libyen ist die arabische Welt ins Wanken geraten. Doch diese „Arabellion“ stärkt auch die Falschen.

Als 1989 das Ende des Kommunismus besiegelt wurde, durfte die Welt aufatmen. Der Transformationsprozess in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft dauert in vielen ehemaligen Ostblockländern zwar bis heute an, er war begleitet von Rückschlägen und Ernüchterungen, aber die Richtung stimmt. Ob sich dasselbe über die „Arabellion“, den Aufstand in der arabischen Welt, einst sagen lässt, steht noch nicht fest. Die beiden Unbekannten in der Rechnung heißen Islamismus und Israelfeindschaft.

Die Despoten in der Region – von Hosni Mubarak über Muammar al Gaddafi bis Baschar al Assad – hatten die Sache brutal im Griff. Weder konnten sich unter ihrer Gewaltherrschaft religiöse Fundamentalisten entfalten, noch durften allzu offen gezeigte antiisraelische Ressentiments das im Prinzip gute Verhältnis zum Westen stören. Jetzt stürzt diese Ordnung. Und im Moment wird die Skepsis jener genährt, die von Beginn an in die Euphorie nicht ungehemmt einstimmen mochten. Missklänge übertönen die Freiheitsrufe.

In Ägypten drängen Anhänger der Muslimbruderschaft immer stärker ins öffentliche Bild. Nicht nur ihnen gilt der Frieden mit Israel, 1981 von Präsident Sadat geschlossen, als Verrat. Die Sicherheitsdefizite im Sinai, die die jüngsten Terroranschläge gegen Israel ermöglichten, sind eine unmittelbare Folge des zunehmend angespannteren Verhältnisses zwischen Kairo und Jerusalem. Dass im Verlauf der israelischen Reaktion auf die Anschläge nun auch ägyptische Soldaten getötet wurden, beschleunigt leider die Entfremdung.

Dadurch wiederum fühlt sich die radikal-islamische Hamas-Organisation, die im Gazastreifen herrscht, bestärkt. Auch ihr Aktionsradius ist seit dem Sturz Mubaraks zweifellos größer geworden. Prompt werden aus ihrem Territorium wieder Raketen auf israelische Städte abgefeuert. Eine erneute Eskalation lässt sich nicht ausschließen. Israels Armee sieht sich bereits gezwungen, mit einer Bodenoffensive zu drohen. Doch die Hamas weiß: Diesmal würde sie nicht allein vom Iran und der Hisbollah unterstützt, sondern auch von befreundeten Kräften aus dem Nachbarland Ägypten.

In Libyen steht zwar offenbar – mit tatkräftiger Unterstützung der Nato – der Sturz Gaddafis bevor. Doch die wahrhaft herkulische Aufgabe beginnt danach. Die Rebellen waren einig im Kampf gegen den Diktator, innerhalb ihrer Reihen indes zeigen sich langsam deutliche Konfliktlinien. Ob sie ihre Waffen abgeben, weiß keiner. Ein Machtkampf um die Nachfolge Gaddafis in Tripolis ist durchaus möglich. Schließlich geht es um Öl und viel Geld. Das verlockt und korrumpiert.

Die Nato gerät dadurch in ein Dilemma. Ihr Auftrag, erteilt durch eine UN-Resolution, hieß: Schutz der libyschen Zivilbevölkerung. Das Mandat ist über einen Sturz Gaddafis hinaus gültig. Doch mit einem „nation building“ in Libyen wäre sie überfordert. Was als humanitäre Intervention begann, mündet womöglich ein in die Verwaltung eines nachrevolutionären Chaos. Das dicke Ende kommt wohl erst noch.

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