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Meinung: Gastkommentar: Lob des Alltags

In diesem Monat findet ein Fritz-Lang-Festival in Washington, DC statt, in der Nationalgalerie der Künste, wo auch Langs "Spione" gezeigt wurde. Hier konnte man wieder einmal sehen, wie modern der in Berlin spielende Film ist.

In diesem Monat findet ein Fritz-Lang-Festival in Washington, DC statt, in der Nationalgalerie der Künste, wo auch Langs "Spione" gezeigt wurde. Hier konnte man wieder einmal sehen, wie modern der in Berlin spielende Film ist. Nicht nur wegen Langs brillanter Handlung, sondern auch, weil seine Themen aktueller denn je sind.

Lang beschrieb eine Welt, in der man nie wusste, wo man stand und ob der Staat nicht nur willkürliche Justiz ausübte. "Spione" beschreibt einen Meister des Bösen, einen Herrn Haghi, der sich als Bankdirektor ausgibt.

Der Film erweckt das Gefühl, dass man niemandem trauen kann, dass jeder jeden überwacht und Gewalt und Terror von Kriminellen ausgeht. Ließt man die Schlagzeilen in den Zeitungen dieser Tage, so ist es noch noch schwerer dem Verdacht zu entgehen, dass sowohl Deutschland als auch die USA mit diesen alten Themen kämpfen.

In den USA beschäftigt man sich jetzt mit John Walker Lindh, dem amerikanischen Taliban, der alle Werte der Nation erschüttert, da er Anti-USA-Gefühle verkörpert, obwohl er eine verwöhnte Kindheit genossen hat. Unbegreiflich ist, dass Al-Qaida sogar für einen jungen Amerikaner als Hoffnung und Erlösung zugleich erscheinen konnte. Die Bundesrepublik muss sich auch mit einer Form der Ablehnung von innen heraus beschäftigen - sei es das Thema NPD-Verbot und der V-Mann Wolfgang Frenz oder Ronald Barnabas Schill von der Rechtsstaatlichen Offensive.

Zwang zur Mitte

Und dazu Kanzlerkandidat Edmund Stoiber. Selbstverständlich ist Stoiber nicht mit der NPD zu vergleichen. Aber man kann schon prognostizieren, dass Stoiber alles machen wird, um sich als berechenbar und gemäßigt zu zeigen, während Gerhard Schröder so konservativ auftreten wird, wie seine Partei es gerade noch verkraften kann.

Das ist eben die Stärke einer Demokratie, die ihre Politiker in die Mitte zwingt. Immerhin hat man das Gefühl, dass sich doch einiges ändert. Schill zum Beispiel ist der NPD nicht einen, sondern mehrere Schritte voraus. Da ist nichts von dem primitiven Hass der NPD zu merken, sondern da tritt einer gelassen und entschieden auf. Ist Schill der deutsche Rudolph Giuliani, der am Anfang von den Linken gehasst wird, am Ende aber heimlich unterstützt, weil er erfolgreich ist? Wenigstens ist das eine neue Frage.

Genauso darf man über die Zukunft der PDS spekulieren. Wird sie durch die Koalition in Berlin für ein Bündniss auf nationaler Ebene hoffähig? Oder wird sie scheitern und dadurch entmystifiziert für ostdeutsche wie westdeutsche Wähler? Es gibt genug Zeit, über solche Fragen zu grübeln.

Vielleicht die wichtigste Nachricht ist, dass eine Miss Germany am Sonnabend im Hotel Estrel ernannt wird. Das ist wenigstens eine alte Tradition, auf die man mit Stolz zurückgreifen kann. Solang man weiß, dass Schönheit immer noch geschätzt wird und dass alte Prioritäten weiter bestehen, kann doch nicht alles völlig durcheinander geraten sein.

Der Autor ist Leitartikler der \"Los Angeles Times\"

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