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Elena Senft schaltet nie ab: Geht mir weg mit Strand!

Neulich sagte eine Freundin zu mir: „Der Sommer ist wie eine Party, zu der ich nicht eingeladen bin.

“Ich unterstütze diese Aussage vollumfänglich. Der Sommer betreibt Mobbing. Denn spätestens durch Facebook und Instagram wird man das Gefühl nicht mehr los, dass der Sommer der anderen immer wärmer und schöner ist als der eigene.

Alle laufen strahlend, hormonell außer Rand und Band und leicht bekleidet durch die flirrende, aufgeladene Stadt und fühlen sich lebendig, nur man selber klebt mit dem Rücken an den U-Bahn-Sitzen fest, dunkelt zu Hause die Fenster ab und ist bereits kollabiert, bevor man an die Reihe kommt, um sich fünf Kugeln hausgemachtes Bio-Eis der Geschmacksrichtung Basilikum-Zitrone zu kaufen.

Die Top 3 der Bilder, die man sich im Moment täglich auf weichgezeichneten Foto-Postings ansehen muss: Erstens die leichte Mahlzeit (Oliven, Käsehappen, Rosé) unter freiem Himmel („Endlich! Dolce far niente“). Gefolgt von der aktiven Freizeit („Noch 1000 Höhenmeter! Aufi geht’s!“) Und schließlich gibt es noch: die nackten Füße am Strand („Könnte schlimmer sein ...“).

Spätestens bei der letzten Pose sollte der aschfahle, neidische Betrachter stutzig werden und sich auf seinen eigenen Erfahrungsschatz am Ufer der Ozeane besinnen. Klar, es gab da mal diesen Wahnsinnsstrand auf der stromlosen Insel in Thailand, aber generell? Seien wir ehrlich: Mit dem Strand ist es wie mit zahlreichen anderen Dingen, die zwar einen erstklassigen Ruf genießen, sich allerdings immer besser anhören, als sie es tatsächlich sind: Auf Flohmärkte gehen. In der Badewanne lesen. Im Park grillen. Gemeinsam duschen.

Das elementare Problem des Strands ist, dass man meist nicht als Einziger die Idee hat, ihn zu besuchen. Sondern auch mindestens eine Gruppe Teenager mit iPod und Lautsprechern, ein tätowiertes mittelaltes Paar, das sich gegenseitig die ersten Epidermisschichten von den sonnenverbrannten Oberkörpern schält und eine Großfamilie mit der Ausstattung eines zweiwöchigen Campingurlaubs mit Selbstversorgung. Man kann also mit Fug und Recht davon ausgehen, dass fast jedem entspannt wirkenden Fuß-Foto die mühevolle Sichtung einigermaßen unberührter Strandausschnitte vorausgegangen ist.

Trotzdem ist es dem Strand wie keinem anderen Ort gelungen, sein makelloses Image zu behalten. Man gilt sofort als tiefsinnig, wenn man mit leiser Stimme sagt, man wolle mal wieder „das Meer sehen“. Selbst wenn das in Wirklichkeit heißt, dass man gerade tierisch Lust hätte, mal wieder mit Sand in der Badehose auf einem Handtuch zu hocken und voller Weltekel räudigen Kühltaschenbesitzern dabei zuzusehen, wie sie Nudelsalat aus Tupperdosen essen und danach eine Runde auf der Motorboot-Banane drehen.

Das Fernsehen trägt einen nicht unerheblichen Teil zu dieser Entwicklung bei. Denn nirgendwo sonst wird der Strand so gnadenlos unkritisch abgefeiert. Der Wunsch eines Protagonisten, einmal in seinem Leben das Meer zu sehen, reicht als Prämisse für abendfüllende Spielfilme – und die schroffe Romantik des unbarmherzigen Ozeans hat Tom Hanks in „Cast Away“ davor bewahrt, vollends verrückt zu werden.

Niemals wäre Milla Jovovich so berühmt geworden, hätte sie sich auf einer Blumenwiese geräkelt und nicht in der blauen Lagune. Und das, obwohl sie fast den ganzen Film lang eine wirklich entwürdigende Art Windelhose trägt. Das ist ein weiterer diskussionswürdiger Punkt, der nicht immer als Argument für einen Strandbesuch taugt: die Strandbekleidung. Die wird bei Fußfotos oft zu Recht ausgespart.

An dieser Stelle wechseln sich ab: Elena Senft, Moritz Rinke, Christine Lemke-Matwey und Jens Mühling.

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