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Hitler-Ausstellung: Des Führers Uniform

Wie war es möglich, dass ein ganzes Volk, stolz auf seine Tradition der Dichter und Denker, zu Spießgesellen von Angriffskrieg und Völkermord, von Ausbeutung, Ausplünderung und nackter Gewalt werden konnte? Eine Ausstellung sucht Antworten.

Der Mann war besessen, fanatisch, unbeirr- und unbelehrbar und gegen Ende seines 56-jährigen Lebens zudem noch schwer krank. Er war nach allen Maßstäben, die man gemeinhin an eine charismatische Persönlichkeit anlegen möchte, eben das gerade nicht: charismatisch. Er war wirkungsmächtig, so sehen es die Ausstellungskuratoren im Deutschen Historischen Museum, allein weil die Bevölkerung in ihm den Heilsbringer sehen wollte und ihm diese Rolle geradezu aufdrängte.

Adolf Hitler, selbst ernannter „Führer“ und halb gewählter, halb beauftragter Reichskanzler, war nicht „Deutschlands Glück“, wie er seinen jubelnden Anhängern 1936 zurief, sondern Deutschlands schlimmstes Unglück. Das ahnten die Deutschen, die Hitler jahrelang siegesfroh gestimmt hatte, nach dem 22. Juni 1941 und wussten es nach Stalingrad. Am Ende erhob sich keine Hand mehr zum „Sieg Heil!“-Ruf, aber da war es zu spät, und keiner wollte mehr daran erinnert werden, dem „Trommler“ und „Rattenfänger“ hinterhergelaufen zu sein.

Mit solchen Invektiven hält sich auch das Berliner Museum den (Volksver-)Führer auf Distanz. Es gebe nach wie vor „Tabus“, vor allem dürfe nichts Persönliches von Hitler gezeigt werden. Die Ausstellung, vorsorglich „Hitler und die Deutschen“ genannt, um die führertrunkene „Volksgemeinschaft“ nicht aus ihrer Mitverantwortung zu entlassen, macht einen weiten Bogen um die Person. Keine Uniform, kein Privatfoto, von der Szenerie im Bunker ganz zu schweigen, die uns Bruno Ganz im Erfolgsfilm „Der Untergang“ so nahe gebracht hat.

Hitler ist und wird immer bleiben, was Joachim Fest den „widrigen Gegenstand“ genannt hat. Widrig und widerlich – aber es hilft nichts, jede Generation muss sich wieder und wieder mit dem Mann aus Braunau auseinandersetzen. Wir haben die großen Biografien von Joachim Fest und Ian Kershaw, wir sehen zahllose Filme um und über Hitler, und glatte 46 Mal war der Mann Titelheld des „Spiegels“. Wir folgen den Feinheiten der Forschung, die uns die planvolle Konstruktion von Hitlers vermeintlichem Charisma, die durchtriebene Propaganda wie auch die materielle Besänftigung der Bevölkerung vor Augen stellt. Dass aber die Person selbst, mit ihren einstudierten Posen, ihren geifernd hervorgestoßenen Sätzen, den ungeheuerlichen Drohungen heute noch begeistern, gar verführen könnte, ist – bis auf jene Unverbesserlichen, die es für jede Ideologie und jeden Blödsinn gibt – nicht mehr vorstellbar.

Gleichwohl bleibt die Frage, wie es möglich war. Wie es möglich war, dass ein ganzes Volk, stolz auf seine Tradition der Dichter und Denker, zu Spießgesellen von Angriffskrieg und Völkermord, von Ausbeutung und Ausplünderung und nackter, für jedermann sichtbarer Gewalt werden konnte. Dieser Frage kann sich die Wissenschaft annähern, doch sie letztgültig nicht beantworten. Denn es bleibt eine Frage an jeden Einzelnen: Wie verführbar ich bin, durch Versprechungen, Großspurigkeit, durch die Entfesselung barbarischer Gewalt und nicht zuletzt – und vielleicht vor allem – durch materiellen Gewinn? Hitler hat die ganze Klaviatur beherrscht. Und so sehr er auch des ganzen NS-Regimes zur Herrschaft bedurfte, so gewiss ist auch, dass es ohne die Person Hitlers dieses Regime nicht gegeben hätte. Um diesem Problem, dieser bleibenden Last der deutschen Geschichte näherzukommen, bedarf es, 65 Jahre nach seinem Tod, der Beschäftigung mit der Person Hitlers, und sei es bis hin zu Uniform und Schäferhund.

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