zum Hauptinhalt

Meinung: Kaum Aufsicht, kein Rat

Aus dem Flughafen-Debakel lernen: Wovon Politiker die Finger lassen sollten

Stand:

Hartmut Mehdorn, der knorrige Air-Berlin- Chef und einstige Bahnsanierer, hat recht: Die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft ist unterbesetzt. Wichtige Bereiche wie Finanzen, Personal und Organisation sollten durch eigene Verantwortliche repräsentiert sein. Was der Manager in seinem Brief an den Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Wowereit nicht schreibt: Auch der Aufsichtsrat ist am Schönefelddebakel nicht schuldlos.

Vielleicht muss man hier wirklich ein bisschen Volkshochschule machen, nicht zuletzt, um den beteiligten Politikern ein paar Grundwahrheiten in Erinnerung zu rufen. Das Wort Aufsichtsrat ist aus zwei Substantiven zusammengesetzt, die das Tätigkeitsfeld einer Person, die diese Amtsbezeichnung führt, charakterisieren. Offenbar hat es im Falle der Flughafengesellschaft einige Aufsichtsräte überrascht, dass mit der Übernahme der Funktionsbezeichnung „Aufsichtsrat“ eine Tätigkeit verbunden ist. Die oder der Betreffende soll Aufsicht führen über die Arbeit der Geschäftsführung. Dazu muss er sich regelmäßig Bericht erstatten lassen. Um beurteilen zu können, ob Berichte der Geschäftsführer plausibel sind, sollte er von der Materie etwas verstehen. Und wenn es sich, wie hier, um ein großes Bauvorhaben handelt, sollte der Aufsichtsrat auch regelmäßig nachschauen, ob es Baufortschritte gibt, oder ob ihm ein Potemkinsches Dorf vorgeführt wird.

An fast all diesen grundlegenden Voraussetzungen für die erfolgreiche Ausübung eines Aufsichtsratsmandats hat es im Falle der Flughafengesellschaft zumindest bei den betroffenen Politikern gefehlt. Sie haben aber auch den zweiten Teil der Tätigkeitsbezeichnung nicht beachtet – sie haben offenbar keinen Rat erteilt. Es waren ratlose Personen, vielleicht guten Willens, aber mangels Fachkenntnis unfähig, die Funktion auszufüllen.

Damit sind wir bei der politischen Verantwortung. Wenn ein Politiker schon eine verantwortliche Position übernimmt, für die es ihm an vielen Voraussetzungen gebricht, entbindet ihn das nicht von der politischen Verantwortung. Das ist die Verantwortung für das, was in der ihm zugeordneten Behörde geschieht. Ein Senator zum Beispiel kann davon profitieren, wenn in seinem Dezernat gut gearbeitet wird. Passieren dort aber gravierende Fehler, muss er dafür politisch geradestehen und gebenenfalls zurücktreten.

Nun kann man im Fall der Flughafengesellschaft durchaus die Ansicht vertreten, die Aufsichtsräte seien von den Geschäftsführern, oder zumindest von einem der beiden, in einer vielleicht schon justiziablen Weise unvollständig informiert worden. Dann muss der für diese Verschattung der Wahrheit verantwortliche Geschäftsführer entlassen und vielleicht sogar verklagt werden. An der politischen Verantwortung des Aufsichtsrats ändert das nichts. Die logische Schlussfolgerung: Politiker sollen die Finger von solchen Aufsichtsratsmandaten lassen. Wowereit und Platzeck mögen argumentieren, sie hätten seinerzeit keine andere Lösung gesehen. Aber es ist nicht verboten, dazuzulernen.

Gerd Appenzeller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })