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Die „One Love“-Armbinde.

© Foto: IMAGO/Kieran McManus/Shutterstock

Keine Binde für Menschenrechte: Die WM erlebt den nächsten peinlichen Tiefpunkt

Europas Mannschaften verzichten nun doch auf die One Love-Armbinde, weil sich die Fifa gänzlich an Katar verkauft hat. Einzig Irans Mannschaft setzt ein wichtiges Zeichen.

Ein Kommentar von Robert Ide

Immerhin das: Der Ball ist noch rund bei dieser Weltmeisterschaft. Und er rollt, auch wenn zumindest viele Fußballfans in Deutschland das gar nicht sehen wollen. Die (vor allem männlichen) Zuschauer in Katar übrigens auch nicht.

Dass die Gastgeber schon nach 60 Spielminuten in Scharen das Stadion beim WM-Eröffnungsspiel ihrer Mannschaft verließen, ist ein weiteres Armutszeugnis für ein Turnier, das schon kurz nach dem Start an einem emotionalen Endpunkt steht. Und am Montag bereits den nächsten peinlichen Tiefpunkt erlebte.

Überraschend gaben da Europas Fußballverbände bekannt, dass ihre Kapitäne nun doch nicht mit einer „One Love“-Armbinde auflaufen werden. Diese sollte ein Zeichen für Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit sein, allerdings nur weit angelehnt an die Regenbogenfahne und damit als sichtbarer Protest sowieso eher lau.

Für die Fifa ist Fußball nur noch Vermarktung

Doch selbst das war der Fifa, die sich offensichtlich gänzlich an Ausrichter Katar verkauft hat, zu heiß. Der Fußball-Weltverband kündigte an, alle Kapitäne, die eine solche Binde tragen, mit einer Gelben Karte zu bestrafen.

Für das Eintreten für Menschenrechte, das die Fifa in Imagevideos für sich selbst in Anspruch nimmt, drohten Spielern somit Sperren während eines Fifa-Turniers. Damit zeigte der Fußball-Weltverband, als was er den Fußball nur noch betrachtet: als reines Vermarktungsinstrument.

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Erst das Bierverbot und damit der Bruch selbst abgeschlossener Verträge kurz vor dem Anpfiff auf Geheiß von Katar. Danach die peinliche Rede von Fifa-Präsident Infantino, der allen Ernstes den qualvollen Tod von katarischen Gastarbeitern beim Stadionbau mit selbst erlebten Hänseleien in der Schule verglich.

Nun die Sanktionierung eines kleinen Symbols für unteilbare Menschenrechte. Eigentlich fehlt nur noch die Anweisung, künftig mit einem eckigen Ball zu spielen. Einfach, weil man mit Geld glaubt, alles verfügen und über alle verfügen zu können.

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Doch damit nicht traurig genug: Die Drohung mit Sanktionen ließ die selbst proklamierten Protestler einknicken – auch den Deutschen Fußball-Bund. Nun läuft die deutsche Nationalmannschaft am Mittwoch ohne die umstrittene Binde und Kapitän Manuel Neuer faktisch ohne Rückgrat auf. Keine Binde für Menschenrechte – auch das ist natürlich ein sichtbares Zeichen. Ein fatales.

Ja, das wissen wir längst: Dieses Turnier ist ein wahnwitziges Reißbrett-Ereignis im Wüsten-Winter. Korruptionsbelastet vergeben durch den Fußball-Weltverband Fifa, der sich längst vom Fußball entkoppelt hat. Veranstaltet in einer reichen Diktatur, die nach eigenen Regeln spielt, aber sicher nicht nach der Charta der Menschenrechte.

Symptomatisch für die ganze WM steht da wohl die jüngste Stellungnahme des niederländischen Fußball-Verbandes: „Wir stehen zur ‘One Love‘-Botschaft und werden diese weiter verbreiten, aber unsere oberste Priorität ist es, Spiele zu gewinnen.“ Für eine selbstverständliche Botschaft eine Spielsperre riskieren – nicht einmal so wenig Engagement bringt der europäische Fußball auf. Nur mit Gratis-Mut hätte man das sichtbare Eintreten für Menschenrechte vorgespielt.

Irans Sportlerinnen und Sportler zeigen Mut

Wie mutig Sportlerinnen und Sportler sein können, zeigen derzeit viele Mannschaften aus dem Iran – zu internationalen Turnieren entsandt von einer Diktatur, die gerade das eigene Volk massakrieren lässt, weil Frauen frei ihr Haar tragen möchten, weil Menschen frei ihre Meinung sagen wollen.

Irans Sportlerinnen zeigen oft offene Haare, Mannschaften bejubeln Siege demonstrativ verhalten. Vor ihrem ersten WM-Spiel gegen England am Montagnachmittag sangen Irans Fußballer die offizielle Nationalhymne ihres Landes nicht mit, um ihrer Trauer über die unschuldigen Toten in der Heimat Ausdruck zu verleihen. Es war dies ein richtiges, wichtiges Zeichen - und der bisher einzige menschliche Moment dieser WM.

Das ist der Unterschied: Die Sportlerinnen und Sportler aus Diktaturen riskieren selbst für kleine sichtbare Symbole ihre Freiheit und gar ihr Leben. Die deutschen und europäischen Fußballer riskieren in Katar nicht mal ganz wenig, obwohl ihnen nichts weiter droht als eine symbolische Spielstrafe. Der nach der Diktatur des Geldes geführten Fifa dürfte das nur recht sein – denn mit dem Fußball verbindet sie inzwischen nahezu nichts. Außer der Organisation einer jetzt schon desaströsen Weltmeisterschaft.

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