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Ich habe verstanden: Kiffen und Adelshochzeiten gucken macht doof im Kopf

Matthias Kalle hat nichts gegen Adlige. Trotzdem würde er sich lieber die Hanfparade statt der Potsdamer Adelshochzeit im RBB ansehen. Die Hanfromantik findet Kalle nämlich irgendwie rührend - oder anders gesagt: spießig.

Das Letzte, was ich mit dieser launigen Kolumne bezwecken will, ist: den Eindruck erwecken ich sei ein von Neid und Missgunst getriebener Wicht, dessen Feindbild, an dem er sich abarbeitet, der so genannte Adel sei. Denn ich bin weder von der Adelspolizei, noch von der Neidpolizei – ich bin von der Spannungspolizei, ich versuche die zu ermitteln, die für die Langeweile verantwortlich sind, denn das sind meist die Bösen. Die, die gegen die Menschlichkeit und den Verstand angetreten sind und so für den Verfall der Sitten sorgen. Und deshalb kann ich nichts dafür, dass es vergangenen Freitag an dieser Stelle um Karl-Theodor zu Guttenberg ging und nun geht es schon wieder um etwas ähnliches. Aber auch dafür kann ich nichts – ich beobachte doch nur.

Am Anfang der Woche erklärte der RBB, sie würden Ende August eine Hochzeit im Fernsehen zeigen – und zwar live. Es heiraten: Georg Friedrich Prinz von Preußen und Sophie Prinzessin von Isenburg. In der Potsdamer Friedenskirche. Am 27. August. Das muss man sich zunächst mal einfach vorstellen.

Doch damit werden die meisten Schwierigkeiten haben, denn man kann sich Georg Friedrich Prinz von Preußen und Sophie Prinzessin von Isenburg ja gar nicht vorstellen, weil man die gar nicht kennt. Wie sehen die aus? Wie alt sind die eigentlich? Was machen die beruflich? Und dann muss man sich natürlich tatsächlich fragen, warum der RBB diese Hochzeit übertragen muss oder will oder darf.

Am 29. April saß ich vor dem Fernseher als Kate Middelton Prinz William geheiratet hat, denn ich habe generell überhaupt nichts gegen Adelshochzeiten im Fernsehen – die fand ich sogar ganz interessant: wer alles so darf war, das Kleid von Kate, Pippa... Noch dazu schaffte es die ARD aus all dem einen unterhaltsamen Fernsehmoment zu machen, was natürlich zuallererst am Personal lag: dem Personal, das gezeigt wurde – und dem Personal, dass für die ARD gearbeitet hat. Alle machten einen ordentlichen Job. Und jetzt sagte der ARD-Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert über die Potsdamer Hochzeit: „Eine Herausforderung! Da ich mich vor allem mit den europäischen Königshäusern beschäftige, muss ich beim deutschen Adel noch einiges nachholen.“ Was nichts anderes heißt als: „Ich kenne da eigentlich keine Sau.“

Seelmann-Eggeberts Interesse scheint sich in Grenzen zu halten – wenn aber schon ein Mann, der jeden kennt, der in den vergangenen 50 Jahren mal mit einer Kutsche irgendwo vorgefahren ist, quasi kapituliert – was soll dann wir machen, die Fernsehzuschauer, das Volk, der Pöbel?

Wir schauen uns das natürlich nicht an, wir fragen uns eher, warum der RBB nicht mehr den Karneval der Kulturen überträgt oder aber die Hanf-Parade, die findet am Samstag zum 15. Mal statt, diesmal lautet das Motto: „40 Jahre sind genug – BtMG ade!“ Nun ja.

Die Hanf-Parade ist in diesem Jahr wieder ein Thema, weil Renate Künast, die ja Klaus Wowereit gerne ablösen würde, gerade ein bisschen Ärger mit den Drogenexperten ihrer Partei hat. Künast sagte dem Fachblatt „Super Illu“ als man sie auf die alte Grünen-Forderung nach „Recht auf Rausch“ ansprach: „In welchem Jahrhundert machen Sie eigentlich dieses Interview mit mir? Diese Zeiten sind längst vorbei. Mein Ziel ist es, dass die Menschen ein möglichst drogenfreies Leben führen, weil ein drogenfreies Leben gesund und schön ist und viele Probleme – nehmen wir nur die Beschaffungskriminalität – gar nicht erst entstehen.“

Das kam nicht gut an. Tibor Harrach, drogenpolitischen Sprecher der Grünen, kritisierte die Aussage, manche werfen Künast jetzt „Ökospießertum“ - ein neuer Kampfbegriff anscheinend, der an „Bionade Biedermeier“ erinnert – und wohl dasselbe meint: Menschen mit hohem Einkommen, die es sich in Prenzlauer Berg gemütlich gemacht haben, im Biosupermarkt einkaufen, fair gehandelten Weißwein trinken und ansonsten ein leicht wertkonservatives Weltbild pflegen. In dem Drogen (bis auf den fair gehandelten Weißwein) nichts zu suchen haben. So weit wohl die Polemik.

Tatsächlich allerdings hat Renate Künast vollkommen Recht, denn diese ganze Hanfromantik riecht ähnlich wie das Zeug, was sie hochleben lässt. Die Kiffer und Wursthaarträger, die die Menschen, die Drogen nicht so dufte finden, als Spießer bezeichnen, erinnern durch ihre Haltung, ihre Ansichten und durch ihr Aussehen selbst an eine Zeit, in der der Konsum von Drogen wohl als progressiv galt. Heute allerdings knallen sich ja Herr und Frau Dürftig die Birne weg – Avantgarde ist anders, und irgendwie scheinen das die Hanfaktivisten zu ahnen, denn anders ist ihr Reflex nicht zu erklären. Menschen mit dem Wort „Spießer“ zu beschimpfen, ist am Ende dann ja auch auf eine Art rührend, um nicht zu sagen: bisschen spießig.

Außerdem hat Kiffen ähnlich Effekt, wie sich drei Stunden lang eine Adelshochzeit im RBB anzuschauen. Man wird so dumpf im Kopf.

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