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Kommentar: Minderheitsregierung in NRW: Vielleicht ist die FDP so frei

Die SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft wagt in NRW eine Minderheitsregierung mit den Grünen. Sie könnte zur Ampel werden.

Schlechte Eigenschaften können ansteckend sein wie Infektionskrankheiten. In Berlin arbeitet sich seit Monaten eine Bundesregierung daran ab und fast kaputt, dass die zwei kleineren Partner in dem schwarz-gelben Dreierbündnis einander nicht ausstehen können. Im größten Bundesland, Nordrhein-Westfalen, schafften es bei fünf Parteien weder zwei noch drei, eine Mehrheit zu organisieren. Auch hier waren überzogene Eigenliebe und Kompromissunfähigkeit die Gründe. Plötzlich aber hat die SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft begriffen, dass ihre Vorstellung einer Regierung aus der Opposition heraus ziemlich dummes Zeug war. Nun wagt sie sich doch zügig an eine Minderheitsregierung mit den Grünen – die hatten das schon länger so gewollt.

Die Meinungsänderung bewirkte Nordrhein-Westfalens FDP- Vorsitzender Andreas Pinkwart, mit seiner Partei offiziell noch Koalitionspartner der CDU. Das schwarz-gelbe Bündnis erklärte er nun für beendet und machte Landtagspolitik „auf eigene Rechnung“ zur neuen Devise.

Die Wahl von Hannelore Kraft zur Nachfolgerin von Jürgen Rüttgers ist gesichert, denn Rot-Grün verfügt alleine schon über mehr Stimmen als Schwarz-Gelb. Wichtiger für Frau Kraft ist, dass sie nun nicht nur die Linke als Partner für einen Politikwechsel in konkreten Fällen hat, sondern dass es ab sofort auch eine liberale Option gibt.

Damit ist die SPD-Frontfrau nicht mehr dem vom politischen Gegner propagandistisch so schön nutzbaren Verdacht ausgesetzt, sie mache mit Post-Kommunisten und altlinken Spinnern gemeinsame Sache. Strategisch wichtiger wird, dass es nun im Bundesrat eine rot- grüne Blockade schwarz-gelber Projekte gibt. Das Sparpaket von Union und FDP oder die Pläne zur Verlängerung der Akw-Laufzeiten hätten, sollten sie doch noch einmal in der Länderkammer landen, dort keine Chance mehr.

Perspektivisch hat die rot-grüne Minderheitsregierung alle Optionen, heimlich, still und leise zu einer Ampelkoalition zu werden. Wenn die großen Reformvorhaben der Bundesregierung, von der Gesundheitspolitik über das Sparprogramm bis zur Kernenergie, entweder abgearbeitet oder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben sind, darf die FDP in eine nordrhein-westfälische Koalition mit SPD und Grünen eintreten, ohne sich harsche Worte aus Berlin einzufangen. Ganz im Gegenteil: Die Liberalen würden so demonstrieren, dass sie auch noch andere Beziehungen als mit der CDU eingehen können.

Das müsste zwar dem liberalen Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle nicht gefallen, für den das Regieren mit der Union ja immer so etwas wie die Hochzeit im Himmel war. Aber es gibt inzwischen genügend einflussreiche FDP-Politiker, die Westerwelles Kurs im Allgemeinen und seinen persönlichen Stil im Besonderen weder für nachahmenswert noch für zukunftsträchtig halten. Sie werden genau beobachten, ob wirklich nur Schwarz-Gelb-Grün wie an der Saar funktioniert, oder ob man nicht auch die CDU durch die SPD ersetzen kann.

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