Meinung: Kreuzfahrt nach Karlsruhe
Für Peter Müller ist Verfassungsrichter ein Posten wie andere auch – das ist zu wenig
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Namen sind Neuigkeiten, und als immer noch neu darf gelten, dass die Union es schafft, mit Sybille Kessal-Wulf eine Frau an das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe zu entsenden. Sie wird das hohe Gremium mit seinem weltweit einzigartigen Anteil an der Leitung eines demokratischen Staates ohne Frage bereichern; auch, weil sie die Amtszeit als Gipfel ihrer Laufbahn und große Herausforderung erleben wird, wie es für herausragende Juristen tunlich ist.
Im zweiten Fall darf man sich nicht so sicher sein. Es handelt sich um Peter Müller, Saarlands Ex-Ministerpräsidenten, der dem gedanklich außerordentlich gewandten Vielredner und Vielschreiber Udo Di Fabio folgen wird. Seit ihn die Politik in kleinem Kreis vor Monaten zum Kandidaten kürte, werden Zweifel an Müllers Eignung laut. Denn über bestandene juristische Staatsexamina, neben einem Mindestalter von 40 Jahren die einzige Job-Voraussetzung, verfügen viele. Müllers Dienstjahre zwischen Ottweiler Amts- und Saarbrücker Landgericht waren nur kurz, Zeugnisse, die ihn als gewieften juristischen Kopf ausweisen, sind rar. Als größtes Manko aber wird ihm zugerechnet, ein eingefleischter Politiker aus hohem Amt sei fremd im traditionell parteifarbenblinden Karlsruher Spruchkörper.
Gegen solche Anwürfe wird man Müller in Schutz nehmen müssen. Er wird der zweite Ex-Ministerpräsident sein, der eine rote Robe trägt, und nicht der erste, der mit entsprechenden Vorurteilen zu kämpfen hat. Ernst Benda, Roman Herzog, Jutta Limbach, sie alle zogen nach erfülltem Politikerdienst in das Gericht ein, ohne es damit auf eine schiefe Ebene zu bringen. Im Gegenteil, sie mehrten dessen Glanz, Renommee und Autorität. Alles wichtige Kennzeichen dieser Instanz, die ohne Sanktionsmittel auskommen muss, die davon lebt, dass ihre Urteile als richtig erkannt und befolgt werden. Politische Lebensnähe kann in dem zunehmend verwissenschaftlichten Bundesorgan die Akzeptanz bei jenen sichern, die von den Urteilen oft betroffen sind, den Politikern selbst.
Trotzdem wird man Müller im Richtersenat zögernd empfangen, und das hat einen Grund. Müller ist gemütlich, um nicht zu sagen: Müller ist satt. Zwölf Jahre in Karlsruhe, das ist für den Mittfünfziger der kugelrunde Schlusspunkt unter einer stattlichen Vita. Mehr will der Mann nicht, das ließ er alle spüren, und deshalb schickt man ihn dorthin wie einen verdienten Angestellten auf Kreuzfahrt. Einen fähigen jungen Mann als Generalbundesanwalt verhindert die SPD, weil es fachlich angeblich nicht reichte und der Posten ach so wichtig sei (was er ist), das (mindestens so wichtige) Verfassungsgericht soll dagegen als Sofaecke taugen. Das ist die etwas traurig stimmende gemeinsame Botschaft der Parteien in der Personalie Müller. Man wird sie in Karlsruhe richtig verstehen, als Schwächung des Gerichts.
Einmal immerhin hatte Müller profundes verfassungsrechtliches Judiz bewiesen. Er warnte vor dem NPD-Verbotsverfahren. Nun könnte er bald selbst darüber entscheiden. Man wünscht ihm Glück, er wird es brauchen.
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