
© dpa/Fabian Sommer
Leserbrief zur Kritik an Bärbel Bas: Von Feudalherren zu modernen Arbeitgebern
Für unseren Leser sind die Worte der SPD-Ministerin über Unternehmer ein „kleiner ideologischer Rückfall“, aber teils zutreffend und historisch nachvollziehbar. Soziale Politik sei ernst zu nehmen. Und wie sehen Sie’s?
Stand:
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat auf dem Juso-Parteitag und beim Arbeitgebertag für Aufmerksamkeit gesorgt, als sie Unternehmer als Gegenspieler der arbeitenden Menschen darstellte – Männer in „weichen Sesseln“ und „Maßanzügen“. Wer die SPD-Historie kennt, erkennt sofort ein vertrautes Muster: Die Partei entstand aus der Arbeiterbewegung, ihre frühen Programme orientierten sich an Marx und Engels und zeichneten die Gesellschaft als Konflikt zwischen Herrschenden und Abhängigen. Dieses Bild von „oben“ und „unten“ prägt die politische Sprache der SPD bis heute und taucht immer wieder in Debatten über soziale Gerechtigkeit auf.
Früher waren es Feudalherren, später Kapitalisten, heute Wirtschaftsmanager – die Rollen haben sich gewandelt, doch die Grundidee eines sozialen Gefälles bleibt bestehen. Bas selbst kommt aus einem Arbeiterhaushalt, arbeitete in Betrieb und Sozialversicherung und kennt die Perspektive derer, deren Alltag von sozialer Sicherheit abhängt. Dass sie Arbeitgeber symbolisch als moderne Feudalherren bezeichnet, kann als kleiner ideologischer Rückfall in klassische Klassenrhetorik verstanden werden. Auch wenn die SPD sich seit dem Godesberger Programm vom Marxismus gelöst hat, zeigt Bas’ Kritik, wie tief historische Konfliktbilder noch wirken.
Die Wortwahl ist dabei nicht nur rhetorisch, sondern spiegelt eine konkrete politische Haltung: Sie verdeutlicht, dass soziale Sicherheit, Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte nicht selbstverständlich sind, sondern aktiv verteidigt werden müssen. Gleichzeitig zeigt sich, wie stark persönliche Prägung politische Sprache beeinflusst – Bas verbindet ihre eigenen Erfahrungen mit der historischen Linie der Partei. Ihre Kritik an den „weichen Sesseln“ und „Maßanzügen“ zielt weniger auf Einzelne, sondern auf strukturelle Machtverhältnisse innerhalb der Wirtschaft und Gesellschaft.
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Heute praktiziert die Mehrheit der Unternehmen keine feudalen Strukturen mehr; die meisten Arbeitgeber setzen auf Mitbestimmung, faire Bezahlung und moderne Führungskonzepte. Klar gibt es Ausnahmen – „schwarze Schafe“ –, aber es wäre ungerecht, pauschal alle Unternehmer so zu zeichnen. Bas’ Kritik trifft also punktuell zu, darf aber nicht den Blick auf die vielen verantwortungsbewussten Arbeitgeber verstellen. Historische Klassensichtweisen wirken weiterhin – als warnendes Bild, aber auch als Anstoß, soziale Politik ernst zu nehmen.
Bas’ Worte verbinden Tradition, persönliche Erfahrung und aktuelle Debatte – und erinnern daran, dass alte Rhetorik manchmal überraschend wieder auftaucht. In einer Zeit wachsender sozialer Ungleichheit ist diese Sprache ein Signal, dass die Balance zwischen Kapitalinteressen und gesellschaftlicher Verantwortung nach wie vor ein zentrales Thema ist. Sie zeigt, dass politische Sprache nicht nur informiert, sondern auch prägt, Werte vermittelt und Konflikte sichtbar macht. Robert Wamsler, Sachsenheim
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