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Lesermeinung: „ Schönbohm mal erklären, wie das so war in der DDR“

Zu den Äußerungen des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm nach der Entdeckung der Kinderleichen, 2. August Zutiefst empört Zum Drama über die neun Kinderleichen äußert Herr Schönbohm: „Die Suche nach der Schuld führt uns in die DDR zurück.

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Zu den Äußerungen des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm nach der Entdeckung der Kinderleichen, 2. August Zutiefst empört Zum Drama über die neun Kinderleichen äußert Herr Schönbohm: „Die Suche nach der Schuld führt uns in die DDR zurück.“ Schönbohms Worten: „Ich glaube, dass die von der SED erzwungene Proletarisierung eine der wesentlichen Ursachen ist für die Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft in Brandenburg“ muss ich widersprechen. Sagen Sie bitte, Herr Schönbohm, was die Verbrechen dieser Frau mit einer, wenn es sie denn überhaupt gegeben hat, Proletarisierung zu tun hat? Aus Ihren Worten spricht meiner Meinung nach nur abgrundtiefer Hass gegen die DDR und die Menschen in Brandenburg. Alle ehemaligen DDR-Bürger und realistisch denkenden Menschen werden über Schönbohms Worte zutiefst empört sein. Leider ist es eine altbekannte Tatsache, dass diejenigen, die nie in der DDR gelebt haben, wie auch Herr Schönbohm, über alles, was dort war, viel besser Bescheid zu wissen glauben. Herr Schönbohm hat sich und der CDU, gerade jetzt zu Beginn des Wahlkampfes mit seinen angeblich von allen missverstandenen Äußerungen keinen guten Dienst erwiesen. Und wenn es sich über das angebliche „Wegsehen“ und die „Uninteressiertheit“ der Brandenburger beklagt, so müssen wir feststellen, dass es so etwas, wie er es hinstellt, unter DDR-Bürgern nicht gegeben hat und dass, wenn es denn jetzt so ist, dies eher ein Import aus dem Westen ist. Äußerungen treffen besonders ehemalige LPG-Mitglieder Die jüngsten Äußerungen des brandenburgischen Innenminister und CDU-Landeschef, Herrn Schönbohm, treffen alle ehemaligen DDR-Bürger, vor allem die früheren LPG-Mitglieder und insbesondere die LPG-Bäuerinnen und Landarbeiterinnen, bei denen nach seiner Auffassung alles Menschliche verloren ging. Hoffentlich hat die CDU damit ihre ausgerechnete Chance, die eventuellen Bundestagswahlen zu gewinnen, vertan. Bei allen Fehlleistungen der früheren DDR, die Verrohung und Verwahrlosung der Sitten und die Gleichgültigkeit der Menschen ist doch verschärft aufgetreten, seit solche Politiker versuchen bei uns zu regieren; nachgewiesenermaßen mit mäßigem Erfolg. Allen Menschen zum teilweisen Trost und denen, die es nicht mehr wissen wollen: Es gab in der ehemaligen DDR zwar keine mondänen Konzerngebäude für Banken, Versicherungen und Verwaltungen, aber zumindest eine bescheidene Wohnung, Arbeitsplätze und Lehrstellen für alle. Zu entschuldigen braucht sich Herr Schönbohm künftig nicht, die Wähler werden ihn und seine Partei für diese Maßlosigkeit zur Rechenschaft ziehen. E. Neumeister, Wittenbeck Sprachlos und betroffen Ich bin sprachlos darüber, was dieser ranghohe Politiker denkt, aber zutiefst betroffen bin ich darüber, dass er so etwas auch noch öffentlich sagt, ohne vor Scham im Boden zu versinken. Nicht die DDR, die Proletarisierung oder irgend etwas vor 1989 ist der Grund für diese an Traurigkeit kaum zu überbietende Geschichte. Geschehen ist das hauptsächlich nach der Wende und auch wenn die persönlichen Gründe der Mutter mir unbekannt sind, gehe ich davon aus, dass die Unsicherheit nach der Wende einen Teil zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Vielleicht sollte man Herrn Schönbohm mal ausführlich erklären, wie das so war in der DDR. Nach so einem Spruch sollte er ab dem 18. September viel Zeit zum zuhören haben. Corinna Albrecht, per E-Mail So nicht, Herr Schönbohm! Es ist nicht leicht zu verstehen, warum der amtierende Innenminister sich wenige Stunden nach Aufdeckung eines unvorstellbaren Verbrechens zu Äußerungen hinreißen lässt, die als schlichteste Form von Ursachenforschung beschrieben werden kann. Warum tötet eine Frau ihre neugeborenen Kinder? Natürlich weil sie aus der DDR stammt und ihr Ehemann bei der Staatssicherheit war – das war sarkastisch, aber genauso analytisch verkürzt formuliert es Herr Schönbohm. Die Menschen sind bundesweit erschüttert, betroffen und fassungslos. Sie verlangen nach Aufklärung, und wenn am Ende steht, ein gesellschaftliches System (wenn auch inzwischen überholt) produzierte Werte und Normen, die solch eine Tat hervorgerufen haben, bitte schön. Aber soweit sind wir noch nicht, bisher liegen erst vorläufige Erkenntnisse zu dem Fall vor, denn noch existiert kein vollständiges, zeitlich rekonstruiertes Bild der Tat. Mit Erschrecken werden wir dann auch feststellen, dass solch ein Verbrechen und das ist eine soziologische Binsenweisheit, immer auf komplexen Wirkungszusammenhängen basiert. Neben persönlichen werden auch gesellschaftliche Ursachen zu finden sein, alles in allem ist es hochproblematisch. Wir Ostdeutschen scheuen keine kritische Auseinandersetzung, Herr Schönbohm, auch nicht rückwärtsgewandt - nur muss sie auf sachlichem Fundament stehen und nicht den Duft von Populismus in der Wahlzeit verströmen. Alexandra Bläsche, Potsdam

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