Lesermeinung: Aufarbeitung
Zu: „Kontroverse Debatte um Gutachten. Streit in der Enquetekommission“, 29.
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Zu: „Kontroverse Debatte um Gutachten. Streit in der Enquetekommission“, 29.1.
Die Enquetekommission, die Art und Weise der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit in Brandenburg aufarbeiten soll, fügt sich ins Bild, das der Historiker Müller-Engbergs vom Brandenburger Umgang mit der Vergangenheit zeichnet: „Es ist eine Komödie“. In der Untersuchung darüber, wie die Aufarbeitung in hiesiger Forschung und Lehre ihren Niederschlag findet, kommt Christian Thönelt zu dem Ergebnis, dass in den Vorlesungsverzeichnissen der letzten 20 Jahre, die DDR, insbesondere Opposition, Widerstand und Repression, nur gering vertreten seien. Wer in ein Potsdamer Vorlesungsverzeichnis schaut, kommt zum selben Ergebnis. Das Angebot für zukünftige Geschichtslehrer geht gegen Null. Auch ein Grund, warum die DDR-Zeit in brandenburgischen Schulen zu kurz kommt.
Nun lese ich, dass das Gutachten methodisch unzulänglich sei. Schon bei der Studie von Schroeder über das DDR-Schülerwissen ging es in Brandenburg vornehmlich um methodische und inhaltliche Mängel. Als Beitrag zur Diskussion über die Schroeder-Studie hatte die Landeszentrale für politische Bildung einen Hamburger Geschichtsdidaktiker anreisen lassen. Der bestritt zwar nicht die Ergebnisse, aber verdammte die Studie in Bausch und Bogen wegen angeblicher methodischer Mängel. Ein Sprichwort sagt: „Getroffene Hunde bellen“. Das Zentrum für zeithistorische Forschung des Professor Sabrow kam in dem Gutachten besonders schlecht weg. Dort würden BRD und DDR auf Augenhöhe betrachtet. Freiheitlich-demokratische Prinzipien spielten bei der DDR-Bewertung keine Rolle.
Sabrow hatte 2006 eine Historikerdebatte ausgelöst, als eine Kommission unter seiner Leitung ein Gutachten zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur vorlegte, in dem die thematische Einseitigkeit dieser Aufarbeitung, nämlich die Konzentration auf Diktatur und Repression und die Vernachlässigung des Alltagslebens beklagt wurde. Dass er gerne von „Partizipations“- oder „Wohlfahrtsdiktatur“ spricht und für Potsdam, die ehemalige SED-Hochburg, auch noch ein Alltagskulturmuseum fordert, erscheint da konsequent. Dass die Landeszentrale für politische Bildung andere Schwerpunkte hat, ist politisch gewollt. Im SPD-Regierungsprogramm 2009 – 2014 steht: „Die Landeszentrale wird sich auf den Kampf gegen den Rechtsextremismus konzentrieren“. Von Aufarbeitung der SED-Diktatur in der ganzen Broschüre kein Wort. Dennoch verdanke ich der Landeszentrale informative Materialien und Veranstaltungen zur DDR-Zeit. Es könnten natürlich mehr sein.
Günter Schlamp, Potsdam
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