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Lesermeinung: Bundestagswahl 2013: „Mutti“ Merkel und die „alte Tante SPD“

Das Problem der SPDPeer Steinbrück kann einem manchmal richtig leidtun. Während „Mutti“ Merkel fast alles verziehen wird, kreidet man ihm jeden kleinen Fehler an.

Stand:

Das Problem der SPD

Peer Steinbrück kann einem manchmal richtig leidtun. Während „Mutti“ Merkel fast alles verziehen wird, kreidet man ihm jeden kleinen Fehler an. Aber verdient ist verdient. Schließlich gehörte Steinbrück zu den „Vätern“ der Agenda 2010, die das Land bis heute spaltet. In den Augen vieler bedeutete diese Agenda nichts anderes als eine „Enthumanisierung des Umgangs mit dem Humankapital“. Und derartig schwere Einschnitte im sozialen Netz verzeihen die Menschen gerade den sozialdemokratischen Genossen nicht. Da hilft es nichts, dass die „alte Tante SPD“ gerade 150 Jahre alt geworden ist. Im Gegenteil, manch einer wird sich an die frühen kämpferischen Zeiten von Bebel und Liebknecht erinnert haben. Damals konnte die deutsche Arbeiterschaft von ihrer Partei noch soziale Fortschritte erwarten. Das ist lange vorbei. Die Chance der Regierungszeit zwischen 1998 und 2005 wurde verschenkt. Die Menschen wurden enttäuscht. Schröder und Fischer zogen gemeinsam in den Balkankrieg, starteten die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Im Inland fiel die angekündigte ökologische Wende aus. Umweltminister Trittin wurde an die Kette gelegt. Somit misslang auch der Start nachhaltiger Klimaschutz-Maßnahmen, wie die Besteuerung von Flugbenzin. Stattdessen wurden Konzerne und Großverdiener mit Steuergeschenken bedacht. Und das geschah in einem Ausmaß wie bei keiner konservativen Vorgängerregierung. Schröder wollte sich auf Kosten der Wähler, der Steuerzahler das Wohlwollen der Wirtschaftselite erkaufen und scheiterte letztlich damit. Der konservative Block aus Wirtschafts- und Finanzwelt unterlief die Regierungsanstrengungen bis 2005. Erst mit dem Übergang der Verantwortung auf Merkel und Westerwelle wurden erkennbar die Investitions- und Wachstumsbremsen gelöst. In diesem Kontext wird die gegenwärtige schwarz-gelbe Koalition von vielen Wählern als erträgliches Übel betrachtet. „Mutti“ Merkel balanciert aus, vermeidet Härten, reagiert auf den Druck der Straße. Im Falle der SPD weiß das keiner so genau. Während eine konservative Regierung dazu neigt, ihre soziale Verantwortung zu entdecken, so entdeckt die SPD an der Regierung bekanntermaßen die Staatsräson. Plötzlich will man systemtreuer sein als die konservativsten Konservativen. Für den Wähler bedeutet das ein hohes Risiko herber, negativer Überraschungen. Und genau das stellt gegenwärtig das Problem der SPD dar. Mit dem Gewerkschaftsbund hat sie sich dank Agenda 2010 überworfen. Versuche einer Wieder-Annäherung gestalteten sich schwierig. Auch der Wähler traut dem vorgespielten Frieden nicht. Auf der Bühne stehen Leute, die der Agenda 2010 nie abgeschworen haben. Genau das aber wäre die Basis dafür gewesen, jetzt wieder beim Wähler Erfolg zu haben.

Dr. Bernd-R.Paulke, Potsdam

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