Lesermeinung: Statusunterschiede gab es schon in der DDR
Arm und Reich – Deutsche sind besorgt. Bürger sehen im sozialen Gefälle großen Konflikt, 27.
Stand:
Arm und Reich – Deutsche sind besorgt. Bürger sehen im sozialen Gefälle großen Konflikt, 27.12. 2007
Die Einkommensunterschiede in Deutschland wachsen, Speerspitze sind die gigantischen Saläre der Spitzenmanager. Warum unsere Bundeskanzlerin nur appelliert und nicht steuerpolitisch reagiert, das wäre ein Thema. Bedauerlich ist, dass ein ehemaliger DDR-Oberschichtangehöriger, wie Dr. Gysi, auch hier wieder das große Wort führen darf. Noch bedauerlicher, dass dem selten widersprochen wird. Kürzlich verlangte er von den ehemaligen DDR-Blockparteien, um ein wenig von der SED/PDS abzulenken, sie sollten ihre Geschichte ebenfalls kritisch aufarbeiten. Meinte er damit die von den damaligen Freunden in Moskau oder durch fingierte Autounfälle auf der AVUS getöteten bürgerlichen Politiker, die sich nicht gleichschalten lassen wollten? Jetzt also wieder lächelnd vorgetragene Geschichtsklitterung: Die Unruhe in der Gesellschaft über die wachsende Ungleichheit wäre eine Nachwirkung der ausgeglichenen DDR-Verhältnisse.
Es ist zu hoffen, dass über die Geschichtsmythen der DDR, die in Brandenburgs und Berlins Schulen weiter getragen werden, zukünftig besser aufgeklärt wird. Die Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse in der ehemaligen DDR waren längst nicht so vorbildlich egalitär, wie es uns die DDR-Nostalgiker einreden wollen. Die Oberschicht im Partei- und Staatsapparat verdiente ein Vielfaches des Durchschnitts der restlichen Bevölkerung und vor allem die Statusunterschiede zwischen unten und oben wurden in vielen Details deutlich, – auch wenn sich alle Leute mit „Genosse“ anredeten.
Die Nivellierung in eine Unterschichtengesellschaft, die von einer privilegierten Oberschicht beherrscht wurde, führte wiederum zu Folgen, die auch schon dem Politbüro bekannt waren: Zu einem Rückgang von Leistungsbereitschaft und Innovationsfreude, der wesentlich zum Modernitätsrückstand der DDR-Wirtschaft und ihrem Zusammenbruch beitrug.
Wir sollten uns wegen der wachsenden sozialen Ungleichheit nicht von DDR-Nostalgikern für dumm verkaufen lassen, sondern nachschauen, wie man in Skandinavien Einkommen besteuert.
Günter Schlamp, Potsdam
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