
© imago/Jens Schicke/imago/Jens Schicke
Merz und das historische Schuldenpaket: Ohne Reformen geht kein Ruck durch Deutschland
Die Mehrheit ist noch nicht überzeugt, schon gar nicht die im Land. Aber auch im Bundestag muss Kanzler in spe Friedrich Merz noch werben. Am Dienstag zählt’s.

Stand:
Na, das kann ja was werden. Oder auch nicht. Nach einer Woche der Vorgespräche, Vorverhandlungen über eine neue Koalition steht die nämlich noch nicht. Erst recht nicht, da von jetzt an stolze 256 Politikerinnen und Politiker in 16 Arbeitsgruppen tagen werden. Die werden auch ihre je eigenen Vorstellungen haben.
Das ist eine noch immer schwierige Ausgangslage. Und das nach dem ganzen Hin und Her, nach all der Wut, der Enttäuschung, der Gereiztheit und am Ende doch mit enormer Wucht der Übereinkunft über Parteigrenzen hinweg, XXL-Schulden zu machen.
Wobei XXL auch schon wieder eine Untertreibung ist. Solche Schulden hat die Republik noch nicht gesehen. Es kann einem bange werden. 1000 Milliarden Euro, bis zu 1500 sogar stehen in Rede, je nachdem, wie man es rechnet. Das sind, umgerechnet, zwei oder eben drei Bundeshaushalte. Auf einen Schlag.
Derart viele Schulden, die weit, weit in die Zukunft wirken, so oder so, im Guten wie im Schlechten. Die Schuldenlast jedes einzelnen Bundesbürgers, ohnehin Zehntausende Euro, steigt ja damit auch.
Dienstag soll also abgestimmt werden, Hau-Ruck – hier passt der Begriff wirklich. Hauen und stechen, und ob dann ein Ruck durchs Land geht, ist noch nicht gewiss.
Denn die Mehrheit ist längst nicht überzeugt – im Land nicht und nicht im Bundestag –, dass der Weg, den sie mit Friedrich Merz an der Spitze gehen sollen, der richtige ist und zum Ziel führt.
Auch, weil Geld ausgeben einfacher ist als Geld sparen. Wobei die Möchtegern-Koalitionäre damit noch nicht einmal ansatzweise begonnen haben.
Der Weg zum Ruck: Neben Hunderten Milliarden Euro für Verteidigung und Sicherheit wollen Union, SPD plus Grüne ein „Sondervermögen“ von 500 Milliarden für Infrastruktur ausgeben.
Davon sollen 100 Milliarden an die Länder und 100 Milliarden in den Klimaschutz gehen. Alles in allem Geld für, zum Beispiel, neue Straßen, Krankenhäuser, die Stärkung von Wissenschaft und Bildung. Aber auch für Investitionen, die zum Erreichen des Klimaziels 2045 führen können, wie der Aufbau des Wasserstoffnetzes oder die Elektrifizierung von Bahnstrecken.
Bleibt dennoch die Aufgabe, sicherzustellen, dass das Geld wirklich für alles das verwendet wird. Nicht nur die – künftige – Opposition hat ihre Zweifel; bei Union, SPD und Grünen sind es ebenso etliche Abgeordnete.
Nur 31 Stimmen mehr als nötig
Allzu viele Abweichler dürfen es aber nicht sein. Die drei haben im (alten) Bundestag nur 31 Stimmen mehr als für Grundgesetzänderungen nötig. Bis zur Abstimmung am Dienstag müssen noch einige in allen drei Fraktionen überzeugt werden.
Auch die Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat ist nicht hundertprozentig gesichert. In Bayern könnte eine Zustimmung den Bruch der Koalition von CSU und Freien Wählern zur Folge haben.
Auch als Symbol mit tiefgreifender Wirkung
Dabei ist ein Streitpunkt eigentlich keiner: die Formulierung zur Klimaneutralität 2045. Ein regelrechtes Staatsziel wird damit nicht im Grundgesetz festgelegt, vielmehr ein Teil der Investitionen klar auf ein Ziel ausgerichtet. Und, wie Kathrin Samson von der Naturschutz-Stiftung WWF Deutschland sagt: Das Verankern in der Verfassung wird auch als Symbol tiefgreifend wirken und künftigen Regierungen als „verlässliche Orientierung“ dienen.
Ist das eine Ausgangslage! Mehrheiten, die die Stimmung in der Union nicht wirklich widerspiegeln; ein Paket, das unter Basar-Verdacht steht; eine Schuldenwende des Kanzlers in spe, die an seiner Glaubwürdigkeit zweifeln lässt.
Dazu der Blick nach vorn, auf die Koalitionsverhandlungen, in denen harte Reform- und Sparbeschlüsse getroffen werden müssen. Und personelle obendrein: Wer wird als Finanzminister über die Monstermilliarden wachen, wer Zugriff auf den Klimafonds haben, der Wirtschafts- oder der Umweltminister. Oder beide?
Heikle Antworten auf Sachfragen und Machtfragen, damit das Ganze im Nachhinein doch eine Legitimation erhält. Der Kanzlerkandidat außerdem. Beginnend mit dem Dienstag. Das muss jetzt aber was werden.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false