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Meinung: Muslimische Inder und andere Vorurteile

Schublade auf. Die Afrikaner sind faul, die Asiaten unpünktlich, und die Latinos nur am Putschen.

Schublade auf. Die Afrikaner sind faul, die Asiaten unpünktlich, und die Latinos nur am Putschen. Schublade zu. Dies sind die gängigsten Klischees über Ausländer aus der so genannten Dritten Welt. Seit dem 11. September kommt etwas dazu. Alle braun-häutigen, orientalisch Aussehenden werden als Mohammedaner oder Muslime abgestempelt, je nach Bildungsniveau der Deutschen. Sie riechen mittlerweile nicht nur nach Knoblauch und Kreuzkümmel, sondern auch nach Schießpulver. Potenzielle Terroristen sind sie jedenfalls. Zwar sind nicht alle aktive Mitglieder der Al Qaida, aber im Portemonnaie haben sie mit Sicherheit ein Bild von Osama bin Laden.

Gerd, mein Nachbar, ist einer dieser Patrioten. Er beobachtet seit sechs Jahren jede meiner Bewegungen. Dass ich ein Inder bin, weiß er, denn wir haben oft genug über die heilige Kuh, Witwenverbrennungen und dergleichen gesprochen. Als er erfuhr, dass ich im Auftrag der ARD unterwegs war fragte er mich: "Brauchten sie jemanden der den Koran übersetzt oder wat?" Es ging über seine Vorstellungskraft hinaus, dass ein Asiat keinen Bezug zum Koran haben und sogar Autor eines Fernsehbeitrages sein könnte.

Dies ist allerdings harmlos gegenüber dem, was mein kurdischer Freund Hasan in Lünen-Brambauer mitmachen musste. Bei seinem Umzug half ihm sein Freund Knut. Als Dankeschön bemalte er die Außenwand von Knuts Haus mit Motiven aus seiner Heimat. Die deutschen Nachbarn sahen allerdings subversive Elemente in dem Bild und riefen die Polizei. Und sie kam. Mit Hubschraubern, quietschenden Reifen und gezogener Maschinenpistole. A la Hollywood umzingelten die Beamten das Gebäude. Das Haus wurde durchsucht, die Ausweise wurden kontrolliert. Als sich herausstellte, dass es sich um falschen Alarm handelte, gingen sie ohne Entschuldigung.

Ausländer, die zufälligerweise um den 11. September ihre Konten kündigten, und umgezogen sind, wurden sofort von den Banken als Verdächtige bei der Polizei gemeldet. (Dem Autor liegen solche Fälle vor.) Nach öffentlichkeitswirksamen Besuchen der Polizei mussten einige erneut umziehen, um ihren Alltag in Ruhe bestreiten zu können. Leider waren dies keine Einzelfälle.

Zur Zeit herrscht im Lande eine Stimmung der Vorurteile, die fern jeglicher Objektivität und Sachlichkeit ist. Kaum haben die farbigen Ausländer rechtsextremistische Angriffe, "Kinder statt Inder" und Leitkulturdebatten über sich ergehen lassen, müssen sie für den 11. September indirekt herhalten. Dass sich viele Muslime/Ausländer gegen diesen Angriff und den Terrorismus ausgesprochen haben, blieb bedeutungslos. In den Medien wurde richtig Stimmung gemacht. In zahlreichen Reportagen und Talkshows wurde der Islam undifferenziert dargestellt: primitiv, brutal und als eine Religion, die Terror verbreitet. Die Zerstörung des World Trade Centers wurde als ein Angriff auf die westliche Zivilisation dargestellt (Die Zeit). Ein Kommentator im Öffentlich Rechtlichen Fernsehen verlangte "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Politiker fühlten sich an diesem Tag als Amerikaner.

Dagegen zu steuern war schwierig. In zahlreichen Seminaren und Vorträgen versuchten Gleichgesinnte den Anschlag auf das World Trade Center zu verurteilen. Gleichzeitig wollten sie jedoch nicht verschweigen, dass die amerikanische Außenpolitik Hass in vielen Ländern der Erde erzeuge und den Nährboden für bin Laden und seinesgleichen schafft. (Zum Beispiel im Sudan. 1998 bombardierte Clinton den Sudan aufgrund einer Falschmeldung der CIA, dass dort Nervengas hergestellt werden solle. Laut Human Rights Watch wurde dabei die Hälfte der Pharmaindustrie des Sudans zerstört und wurden zahlreiche Unschuldige getötet.)

Der Vorschlag, Brot statt Bomben in Afghanistan abzuwerfen, fand wenig Zuspruch. Während der Diskussionen stellte sich immer wieder heraus, dass der Islam keinen Platz in der zivilisierten Welt hat. Wenn alle Argumente fehlten, blieb immer eines über. Auf einem Vortrag, vor ein paar Tagen, sagte mir ein aufgeregter Christ: "Wenn es dir nicht passt, geh doch dahin, wo du herkommst". Ich werde ihm diesen Gefallen nicht tun, denn dies würde bedeuten, Gewalt und Intoleranz Recht zu geben.

Der Autor ist gebürtiger Inder; er lebt und arbeitet in Deutschland als Journalist. In den nächsten Tagen antwortet ihm Bassam Tibi.

Ashwin Raman

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