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PORTRÄT EROL DORA TÜRKE, CHRIST, KANDIDAT:: „Ich finde das nicht normal“

Der Name Erol Dora ist den allermeisten Türken kein Begriff. Und doch könnte der 47-jährige Rechtsanwalt am kommenden Sonntag für eine historische Sensation im einzigen muslimischen EU-Bewerberland sorgen.

Der Name Erol Dora ist den allermeisten Türken kein Begriff. Und doch könnte der 47-jährige Rechtsanwalt am kommenden Sonntag für eine historische Sensation im einzigen muslimischen EU-Bewerberland sorgen. Als erster christlicher Politiker seit einem halben Jahrhundert hat Dora realistische Chancen, bei der Wahl am 12. Juni in das Parlament von Ankara einzuziehen.

Das wird auch Zeit, meint Dora. „Seit den 60ern gab es keinen christlichen Parlamentsabgeordneten mehr“, sagte der Anwalt. „Ich finde das nicht normal.“ Dora ist einer von etwa 13 000 syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei. Die traditionelle Heimat der kleinen Minderheit, deren Mitglieder bis heute Aramäisch sprechen, die Sprache Christi, liegt in der südostanatolischen Provinz Mardin. Dort macht Dora jetzt Wahlkampf.

Geboren wurde der heute in Istanbul lebende Kandidat 1963 in einem kleinen, rein christlichen Dorf im türkischen Südosten. In den 90er Jahren wurde die Ortschaft von türkischen Sicherheitskräften im Krieg gegen die kurdischen PKK-Rebellen geräumt, die Einwohner verloren ihre Heimat und flohen teilweise bis nach Westeuropa, wie viele Bewohner von rund 3000 anderen zerstörten Dörfern im Kurdengebiet.

Auch wegen dieses Schicksals ist Dora als Vertreter der Region glaubwürdig. Dass er Christ ist, störe in Mardin niemanden, berichtet er am Telefon. Die Provinz ist ethnisch und religiös bunt gemischt. Türken, Kurden, Araber, Muslime, Christen und Jesiden leben hier. „Wenn hier jemand etwas gegen Christen hätte, dann hätte ich nicht kandidieren können.“

So offen ist der Rest der Türkei nicht unbedingt. Obwohl das Land offiziell eine säkulare Republik ist, betrachtete der Staat die Mitglieder nicht muslimischer Gruppen lange Zeit als potenzielle Verräter. Erst seit wenigen Jahren dürfen die Christen in der Türkei Kirchen bauen, auf einen eigenen Rechtsstatus als religiöse Gemeinschaften warten sie immer noch.

Ein armenischer Senator namens Berc Sadak Turan war in den 60er Jahren der bisher letzte christliche Volksvertreter in der Türkei. Mitte der 90er Jahre schickte eine Partei den jüdischen Geschäftsmann Cefi Kamhi ins Parlament von Ankara – seitdem hat es dort nur muslimische Abgeordnete gegeben. Nun kann Dora auf ein Mandat hoffen. Die Provinz Mardin schickt fünf Abgeordnete in die Hauptstadt, und da hat er als unabhängiger Kandidat gute Chancen, dabei zu sein. Thomas Seibert

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