
© REUTERS / Michaela Rehle
Razzien gegen Klimaaktivisten und Reichsbürger: Wo sich Kriminelle ähnlich sind – und wo nicht
Es sieht wie gewollt aus: Erst ein Schlag gegen rechts, dann gegen links. Vermutlich sind die Ermittlungen aber weniger politisch, als es scheint.

Stand:
Die Razzia gegen die mutmaßlichen Putschisten aus der „Reichsbürger“-Szene war noch mitten in der politischen Diskussion, da holt die Staatsanwaltschaft Neuruppin bundesweit zum Schlag gegen Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ aus. Erst Festnahmen und Hausdurchsuchungen wegen Verdachts gemäß Paragraf 129a Strafgesetzbuch (StGB) auf Bildung einer terroristischen Vereinigung, jetzt – nur – Durchsuchungen, diesmal wegen Verdachts gemäß Paragraf 129 StGB auf Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Allein die Nähe der Paragrafen im Gesetz ist Zunder für den absurden und ohnehin fast nur von Lagerdenken geprägten Streit, wer oder was von beidem vergleichsweise gefährlicher oder eben harmloser ist. Die Rechten und ganz Rechten reden die Putschisten klein, die Linken und ganz Linken die Aktivisten. Die Gefahr durch die jeweils anderen wird aufgebauscht. Die Mitte ist still, wie oft. Das führt zu nichts außer einem Schlagabtausch bei Twitter. Kann man sich also schenken.
Tatsächlich kassieren die Klimakleber brav ihre Strafen, denn eigentlich sind sie Demonstranten, die nur für hehre Ziele werben – die im Prinzip fast alle teilen. Die reaktionäre Politmafia dagegen plante ihren antidemokratischen Umsturz mit Waffengewalt und kalkulierte Tote. Über die Umweltschützer mag man sich daher empören, vor den Staatsstreichern muss man erschrecken.
Straftaten eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit?
Solche Unterschiede im Tatsächlichen entlasten die Klimafreunde juristisch aber nur eingeschränkt. Richtig ist, dass der Vorwurf der kriminellen Vereinigung nur dann gerechtfertigt ist, wenn die begangenen Straftaten eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin sieht dies offenbar so, jedenfalls hinsichtlich der Aktion in einer Schwedter Erdölraffinerie. In Berlin ist man – noch – anderer Meinung. Das kann sich aber ändern.
Die Letzte Generation und ihre Sympathisanten mögen es deshalb akzeptieren, wenn die Öffentlichkeit sie jetzt auch als – mutmaßliche – Vereinigung im Sinne des Paragrafen 129 kennenlernt. Straftaten sind ihr Geschäftsmodell. Je stärker sie es ausreizen, desto stärker werden sie kriminalisiert. Zur Beruhigung: Lange Gefängnisstrafen drohen vorerst keine.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: