
Großbritannien und Europa: Schlachtenlärm von der Insel
Cameron weiß, dass Großbritanniens Verhältnis zu Europa neu definiert werden muss. Ein Zusammenstoß mit Angela Merkel ist unvermeidbar.
Von der Insel dröhnt wieder einmal Schlachtenlärm zu Europa herüber. Doch die Kontinentaleuropäer, allen voran die Deutschen, sind nicht nur Zaungäste. Die Krise geht aus ihrer Währungszone hervor, sie sind Mitspieler und versetzten mit ihren neuen Integrationsplänen gar, wie Euroskeptiker Liam Fox formulierte, mitten im Spiel die Torpfosten.
Die neue, hektische Debatte um das Wann und Wie eines EU-Referendums hat vor allem mit Premier David Camerons Partei- und Koalitionsmanagement zu tun und muss Brüssel und Berlin in den Nuancen nicht interessieren. Klar ist aber die Botschaft: Bundeskanzlerin Angela Merkel will mehr Europa, die Briten weniger. Der Zusammenstoß ist programmiert und muss gemanagt werden.
Nur Träumer setzen auf den fernen Tag, an dem die neue Union der Bundeskanzlerin demokratisch legitimiert, wirtschaftlich saniert und als globaler Player für die Briten attraktiv ist. Die alte, saloppe Aufforderung, Briten sollen sich für „rein oder raus“ entscheiden, spielt jetzt nur denen in die Hände, die ein Austrittsreferendum sofort wollen – eine „lose-lose“-Lösung für alle. Deutschland würde das Gegengewicht zur Südachse und zu den antiliberalen Instinkten der Franzosen verlieren.
Cameron will zwischen denen vermitteln, die sofort austreten wollen, und denen, die, wie die Londoner Finanzindustrie, das Herausfallen aus dem gemeinsamen Markt fürchten. Er muss herausfinden, ob eine stärker integrierte Eurozone und der weitere Binnenmarkt kompatibel gemacht werden können, wie eine Bankenunion Großbritanniens Finanzindustrie betreffen würde, ob ein neu strukturiertes Europa wirklich noch attraktiver wäre als ein von Brüsseler Auflagen ungebremster, souveräner Welthandel der Briten.
Es wäre im Interesse aller, wenn die Briten ihr Referendum erst dann abhalten, wenn sie wissen, wo ihr Platz in Merkels neuem Europa wäre. Darüber muss verhandelt werden. Entweder unter Druck, wie es Toryrebellen fordern, die glauben, Großbritannien habe genug Veto-Power, um eine Bankenunion für die Eurozone auszubremsen. Oder mit diplomatischer Behutsamkeit, wie es den Instinkten Camerons entspricht.
Wird Cameron den Spielraum bekommen? Im Herbst will er seine Forderungen vortragen. Andere haben die Listen für ihn längst geschrieben: Sie wollen von Brüssel die Einwanderungspolitik zurück, Arbeits- und Sozialrecht, Landwirtschafts- und Fischereipolitik, Justiz- und Innenpolitik. Auch die Forderung nach einem permanenten Veto gegen Finanzregulierung ist nicht vom Tisch. Der Zeitplan solcher Verhandlungen ist absehbar. 2014 haben die Briten laut Lissabon-Vertrag einen General-Optout aus der gesamten EU-Justiz- und Innenpolitik. Das könnte den Rahmen für solche Neuverhandlungen abgeben.
Berlin weiß schon, was kommt. Man müsse sich in die Schuhe der Partner versetzen, sagte Europaminister Michael Link, als er letzte Woche mit der Berliner EU-Koordinierungsgruppe in London war – zu einvernehmlichen Gesprächen.