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Senat beschließt Stellungnahme zum Volksentscheid: Der Weg zu Enteignungen ist mindestens so lang, wie die Mieten in Berlin hoch sind

Rot-Rot-Grün bleibt in der Enteignungsfrage unentschlossen, eine mögliche Umsetzung des Volksbegehrens unklar. Berlins Abstimmung lohnt trotzdem. Ein Kommentar.

Gut zwei Monate vor der Abgeordnetenhauswahl hat Rot-Rot-Grün sich entschieden, in Sachen „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ unentschieden zu bleiben und den Berliner:innen keine Abstimmungsempfehlung zu erteilen.

Dass sich die Regierungsparteien in ihrer „Argumentation“ zum Volksbegehren nicht auf eine Linie einigen konnten, war abzusehen: Die Linke unterstützt die Pläne der Enteignungsinitiative aktiv, die SPD ist dagegen, die Grünen finden das Ganze nur unter gewissen Umständen gut.

Die Differenten werden auch in der vom Senat verfassten amtlichen Mitteilung deutlich: Die Überführung von „mehr als 226.000 Wohnungen aus Privateigentum in öffentliches Eigentum“ sei nur durch ein „politisch und juristisch umstrittenes Vergesellschaftungsgesetz“ zu erreichen, hätte „weitreichende Bedeutung“ und „wäre juristisches Neuland“, heißt es da.

Und weiter: „In den Details bedarf es ausführlicher Debatten und umfangreicher Recherchen.“ Anders gesagt: Es ist völlig unklar, ob und wie das Volksbegehren umgesetzt werden kann. Zumindest darauf konnte man sich einigen: Berlin sollte wissen, dass der Senat es auch nicht weiß.

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Die Regierung macht mit ihrem Schreiben deutlich: Selbst im Erfolgsfalle ist der Weg zur Enteignung mindestens noch so lang wie die Mieten in Berlin hoch sind. Einerseits sind da die rechtlichen Bedenken – der Mietendeckel lässt grüßen!

Andererseits hat das Volksbegehren keinen konkreten Gesetzentwurf zum Gegenstand und ist entsprechend juristisch nicht bindend – an dieser Stelle winkt Tegel! Der Erlass eines Vergesellschaftungsgesetzes obläge dem Abgeordnetenhaus. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dort nach der Wahl mehr Befürworter als Gegner finden ist eher gering.

Und trotzdem: Die Abstimmung lohnt! Wann, wenn nicht jetzt? Der Wohnungsmarkt ist angespannt wie nie. Dass 350.000 Berliner:innen das Volksbegehren möglich gemacht haben, ist bereits eine Ansage. Im Erfolgsfall würde der Druck umso größer.

Auf die Politik, aber ebenso auf die renditeorientierten Immobilienbesitzer:innen, die das Schreckgespenst „Enteignung“ wohl am meisten fürchten. Jede Stimme für das Volksbegehren ist ein Signal an sie: Wohnen darf nicht zu einem Luxusgut verkommen, Berlin nicht ausverkauft werden.

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