
© dpa/Britta Pedersen
Sommerpressekonferenz des Kanzlers: Das Scholz-Prinzip – wer es nicht versteht, ist selber schuld
Welcher Wind ihn auch anbläst, Scholz tut so, als ändere sich die Richtung seiner Politik nicht. Und die sei erfolgreich. Er hat da eine sehr eigene Wahrnehmung.

Stand:
Noch in jeder Kanzlerschaft kam bisher das Ende aller Prinzipienfreiheit. Dann wurde klar, wofür einer oder eine inhaltlich steht – und wofür er oder sie fällt. Notfalls. Bei Olaf Scholz ist das ein wenig anders. Da wird er selbst das Prinzip.
Das Prinzip Scholz: In der Pressekonferenz vor seiner Sommerpause bleibt er sich in einem Maße treu, wie es diese Republik noch nicht gekannt hat. Dagegen war die Vorgängerin Angela Merkel – ja, was? Wetterwendisch.
Welcher Wind Scholz auch entgegenbläst, er tut immer so, als ändere sich die Grundrichtung seiner Politik nicht. Nicht mit ihm.
Was einerseits staunenswert ist, dieser Stoizismus, erschreckt auf der anderen Seite aber auch. Sturheit als Programm? Weil Scholz es mit englischen Musiktiteln hat: The times they are a changing – von wegen. Bloß die Tage vergehen.
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Ein radikal pragmatischer Politikansatz
So kann nur einer sein und bleiben, der eine genaue Vorstellung von der Welt um sich herum hat, und von der Welt, wie sie sein soll. Man kann das selektive Wahrnehmung nennen, oder aber Konzentration aufs Wesentliche.
Das für ihn Wesentliche steht nach dieser Pressekonferenz klar vor uns: die Wiederwahl zum Kanzler. Und das bei Beibehaltung seines radikal-pragmatischen Politikansatzes. Warum etwas ändern, wenn es sich doch bewährt hat?
Genau hier gehen die Wahrnehmungen dann aber diametral auseinander. Kanzler Scholz hält sich und seine Koalition – die er wirklich als seine ansieht – für höchst erfolgreich und geht davon aus, dass sich diese Sichtweise im Volk, im Wahlvolk, schon noch durchsetzen wird.
Scholz erkennt überall beachtliche Leistungen. Sei es in der Finanz-, der Verteidigungs- oder der Außenpolitik. Bei der Einschätzung wird ihm aber nicht nur die Opposition kaum vollends folgen.
Dass nur schon der Bundeshaushalt als Torso angesehen werden kann, ficht ihn nicht an. Und dass seine Partei, die SPD, aus ihrer Geschichte heraus mit der Stationierung von (atomar bestückbaren) US-Raketen längerer Reichweite auf deutschem Boden zu kämpfen hat – ihr Problem, nicht seines. Sie kann darüber reden, wie sie mag, er entscheidet, wie er will.
Die Geschlossenheit der größten Regierungspartei, die der Kanzler rühmt, deren er sich rühmt, wird allerdings nur so lange halten, wie die SPD das Gefühl hat, mit ihm tatsächlich Erfolg zu haben. Der ist beileibe nicht gewiss.
Die jüngste Europawahl hat einen Hinweis darauf gegeben, die nächsten Landtagswahlen werden weitere sein. 15 Prozent sind kein gutes Ergebnis – und sie reichen auch nicht, um nach 2025 den Kanzler zu stellen.
Chuzpe gehört auch dazu
Womit wir wieder beim Prinzip Scholz wären. Chuzpe gehört auch dazu. Wie er behauptet, den „Schlendrian und Stillstand der vergangenen Jahrzehnte“ beendet zu haben, ohne rot zu werden, will sagen: ohne auf die jahrzehntelange Regierungsbeteiligung der SPD einzugehen, das hat schon was.
Symptomatisch dafür war seine Antwort auf die Frage, was er vielleicht hätte anders machen sollen. Da meinte Scholz, es sei richtig gewesen, diese Koalition zu bilden. Deren Maßnahmen würden noch die nächsten Jahrzehnte wirksam sein.
Effizienz und Wirksamkeit, darum geht es vor allem. Nicht um Beteiligung, nicht um Emotion. Und er ist doch besonders effizient, nicht wahr? Dieser Kanzler denkt ja auch, dass er „viel Politik“ dieser seiner Koalition öffentlich erklärt. Wer das nicht versteht, ist selber schuld.
Scholz und wie er die Welt sieht: In diesen Zeiten der Unsicherheit und großen Gefahren kann nur sein entschiedener Kurs der Modernisierung und des Zusammenhalts gewinnen. Es ist nicht gespielt, der Kanzler denkt wirklich, er werde die tristen Umfragewerte noch gedreht bekommen.
Es ist bei alledem nicht einmal ganz ausgeschlossen, dass das Scholz-Prinzip seine Wirkung auf die Dauer nicht verfehlt. Wie war das noch? Nur wer von sich selbst begeistert ist, kann andere begeistern. Dass dieser Kanzler von sich selbst begeistert ist, daran besteht kein Zweifel. Nur daran.
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