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Von Fabian Leber: Sozialer Beitrag

Warum die Kopfpauschale abschreckend wirkt, aber trotzdem gerecht ist

Stand:

Wenn es um Gerechtigkeit geht, kennen die Deutschen keinen Spaß. Sogar zwei Drittel der Anhänger von Union und FDP lehnen eine Kopfpauschale im Gesundheitswesen ab – und sie wähnen sich auf der richtigen Seite. Immerhin klingt Kopfpauschale ja ein bisschen wie Kopfgeld. Auch zur Kopfsteuer, die Margaret Thatcher Ende der 80er Jahre in Großbritannien einführte, scheint es nicht weit.

Es hat nichts genutzt, dass Union und FDP im Koalitionsvertrag von „einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen“ sprechen. In der Koalition ist die Angst groß, dass die Kopfpauschale zu „unserem Hartz IV“ werden könnte. Auch deshalb soll die Pauschale nicht Experten überlassen werden. Das halbe Bundeskabinett wird ab dem heutigen Mittwoch zu diesem Zweck versammelt. Schon im Sommer soll die Runde Ergebnisse vorlegen. Vermutlich wird es, wenn überhaupt, vorerst nur zu einer „kleinen Kopfpauschale“ im niedrigen zweistelligen Eurobereich kommen.

Dabei steht längst fest, dass die Deutschen eines der weltweit ungerechtesten Systeme zur Finanzierung ihrer Gesundheitskosten unterhalten. Nur hier kann es vorkommen, dass eine verheiratete Sekretärin indirekt die Krankenversicherung für die nicht arbeitende Frau und die Kinder ihres gut verdienenden Chefs subventioniert. Oder dass ein Angestellter mit Durchschnittslohn denselben Beitrag bezahlt wie ein erfolgreicher Bankmanager, der zusätzlich über fünfstellige Kapitaleinkünfte verfügt.

Das auf Bismarck zurückgehende System der beitragsfinanzierten Krankenversicherung verteilt Wohlstand um – wobei die Umverteilung nicht von oben nach unten erfolgt, sondern in erster Linie von der Mitte nach unten, und teilweise sogar nach oben: Einkommen über 45 000 Euro im Jahr bleiben grundsätzlich beitragsfrei, es gibt keinen Freibetrag für Kleinverdiener, Kapitaleinkünfte spielen keine Rolle, und die Familienversicherung wird ohne jede Einkommensprüfung gewährt. Für Gutverdiener mit Kindern zum Beispiel ist die gesetzliche Solidarkasse oft attraktiver als der Abschluss einer privaten Krankenversicherung.

Gerecht ist das nicht. Besser wäre es, nach dem Äquivalenzprinzip zu verfahren – und von jedem Versicherten einen Einheitsbeitrag zu verlangen. Dem steht auf der anderen Seite eine einheitliche Leistung gegenüber: Die Blinddarmoperation der Sekretärin kostet nicht weniger als die des Bankmanagers. Das unterscheidet die Krankenversicherung von der Arbeitslosen- oder Rentenversicherung, wo gestaffelte Beiträge mit Leistungen korrespondieren, die ans Einkommen gekoppelt sind.

Doch auch unter Union und FDP soll das Solidarprinzip ja nicht abgeschafft werden. Der Sozialausgleich könnte aber dorthin verlagert werden, wo er jetzt schon viel besser und präziser funktioniert: ins Steuersystem. Dann würden nämlich auch Zins- und Mieteinkünfte berücksichtigt. Außerdem würden nicht nur Arbeiter und Angestellte, sondern auch privat Versicherte wie Beamte, Selbstständige und Gutverdiener herangezogen, um die Gesundheitsversorgung von sozial Schwachen und Kindern zu subventionieren. Was daran ungerecht sein soll, bleibt das Geheimnis von SPD und CSU, ausgerechnet jenen Parteien, die das Soziale sogar in ihrem Namen führen.

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