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Berlin - Aushängeschild der ganzen Republik?

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Berliner Finanzen: Stadt, Land, Bund, Schluss

Auch das Washington-DC-Modell wird die Berliner Finanzmisere nicht lösen können. Der Bund muss endlich sein Verhältnis zur eigenen Hauptstadt gesetzlich regeln. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Man kann die Bayern ja verstehen. Im Jahr 2013 wurden 8,5 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich eingezahlt. Das ist jener Topf, in den die Steuerüberschüsse reicher Länder fließen, um die ärmeren zu alimentieren. Das hat etwas zu tun mit der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, wie sie in den Artikeln 72 und 106 des Grundgesetzes beschrieben werden. Mehr als die Hälfte der 8,5 Milliarden Euro, 4,3 Milliarden, kamen aus Bayern. Die beiden anderen Hauptzahler sind Baden-Württemberg und Hessen. Mit einer Entnahme von 3,3 Milliarden Euro ist Berlin der größte Nutznießer. Dass die Bayern nicht gerne etwas herschenken, ist nachvollziehbar. Einerseits. Kein Bundesland hat von den Jahrzehnten der deutschen Teilung so profitiert wie Bayern, weil die Industrie aus dem Osten in den Süden Deutschlands flüchtete. Das ist das Andererseits.

Das Finanzgeflecht ist komplizert

Das Wehklagen über die der eigenen Verwendung entzogenen Milliarden soll vor allem die Bühne vorbereiten für die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, die spätestens 2019 erfolgt sein muss. Auch im Verhältnis zwischen Berlin und dem Bund geht es um Geld, der bestehende Hauptstadtvertrag läuft 2017 aus. Im Rahmen dieses Vertrages zahlt der Bund jährlich 60 Millionen für Polizeieinsätze und den Schutz von Staatsbesuchen und Botschaften an das Land Berlin. Das reicht nicht, sagt Berlins Innensenator. Die von seinem Haus geschätzten 143 Millionen für den bundespolitisch bedingten Aufwand kommen der Realität näher. Der Bund ist aber auch an anderer Stelle in Berlin finanziell involviert. Über den Hauptstadtkulturfonds hilft er beim Unterhalt und der Renovierung Berliner Kulturinstitutionen von nationaler Bedeutung. Und das Berliner Institut für Gesundheitsforschung, BIG, bündelt Leistungen des Bundes, des Landes Berlin und der Helmholtzgemeinschaft mit einem Volumen von 300 Millionen Euro. Die Stifterin der Charité-Stiftung, Johanna Quandt, gibt weitere 40 Millionen in diesen Topf. Die Summe der vertikalen Leistungen zwischen Bund und Berlin ist also ganz erheblich – aber dennoch nur ein Provisorium, weil sich der Bund seit Jahren darum drückt, den Artikel 22 des Grundgesetzes mit Leben zu erfüllen. Er schreibt fest, dass die Repräsentation des Gesamtstaates in seiner Hauptstadt Sache des Bundes sei und dass Näheres (natürlich auch das Finanzielle) in einem Gesetz zu regeln sei.

Vernachlässigt: Der Artikel 22 des Grundgesetzes.
Vernachlässigt: Der Artikel 22 des Grundgesetzes.

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Klar wird also: Das Finanzgeflecht zwischen den Ländern untereinander und zwischen dem Bund und seiner Hauptstadt ist extrem kompliziert. Es zu ordnen ist aber auf Grund der Terminvorgaben 2017 für den Hauptstadtvertrag und 2019 für den Länderfinanzausgleich dringend. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer verknüpft beides nun miteinander, wenn er vom Bund fordert, er solle Berlin eine Milliarde mehr zahlen, damit Bayern um den entsprechenden Betrag entlastet wird. Dass beides aus rechtlichen Gründen nicht vermengt werden darf, stört Seehofer nicht. Für ihn zählt die Popularität solcher Ansprüche im eigenen Land mehr als juristische Bedenken. Die Maut lässt grüßen.

Daran würde eine Fusion auch nichts ändern

Berlin seinerseits ist in der schwierigen Situation, dass die Zuschüsse des Bundes zu den laufenden polizeitaktischen Aufgaben in der Hauptstadt mit der Unterdeckung des Haushaltes nichts zu tun haben. Auch die lange diskutierte Fusion der Länder Brandenburg und Berlin würde an Letzterem nichts ändern. In Berlin leben eine Million Menschen mehr als in Brandenburg. Um eine Dominanz des Flächenstaates durch den bevölkerungsreicheren Stadtstaat zu verhindern, sahen die Neugliederungsverträge des Jahres 1995 eine gleich starke Repräsentanz beider Landesteile in einem gemeinsamen Parlament vor. Das war schon damals rechtlich fragwürdig. Angesichts der gegenläufigen Entwicklung heute – Berlin wächst weiter, Brandenburg schrumpft weiter – ist das vollends obsolet.

Auch nach dem Washington-DC-Modell wird man die Berliner Finanzmisere nicht lösen können. Die Aufgabe des Länderstatus nähme der Hauptstadt jede eigene Gestaltungsmöglichkeit und lieferte sie den jeweiligen bundespolitischen Mehrheitsverhältnissen aus. Jeder Konflikt würde auf den Straßen der Stadt ausgetragen werden. Nein, es führt kein Weg daran vorbei: Der Bund muss seine Pflicht tun und sein Verhältnis zur eigenen Hauptstadt gesetzlich regeln. Zur Neuregelung der Finanzen gehört aber auch eine Klärung der Altschulden, nicht nur Berlins, um einen Neuanfang möglich zu machen.

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