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Vertriebenen-Stiftung: Steinbachs halbherziger Verzicht

Die Vertriebenen-Präsidentin verlangt, dass die Bundesregierung ihr Vetorecht bei der Besetzung des Stiftungsbeirats aufgibt. Der Plan wird nicht aufgehen – aber er bringt Merkel in Zugzwang. Ein Kommentar

Nach monatelangem Streit bietet der Bund der Vertriebenen (BdV) an, auf die Benennung seiner umstrittenen Vorsitzenden Erika Steinbach für den Rat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung zu verzichten. Doch was Steinbach selbst als noble Geste darzustellen versucht, ist in Wahrheit nur ein politisches Scheinmanöver. Denn der BdV verknüpft dieses Angebot mit Bedingungen, die für die Bundesregierung kaum akzeptabel sind: Der BdV soll künftig autonom über seine Vertreter im Beirat entscheiden dürfen, das Kabinett soll ihnen nicht mehr zustimmen müssen, und der Verband verlangt mehr als seine bisher drei Sitze.

Gewiss, Steinbach und der BdV haben die Stiftung im Wesentlichen vorangetrieben, es ist letztlich ihre Idee. Das damit verbundene geplante Vertriebenen-Zentrum soll – mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – an das Schicksal derer erinnern, die als Folge des von Deutschland angezettelten Krieges ihre Heimat verlassen mussten und ihnen den gebührenden Platz in der Erinnerung einräumen. Zugleich aber soll die Stiftung, wie der Name besagt, zur Versöhnung beitragen. Dem jedoch steht Steinbach im Wege. Ob sie will oder nicht.

Die Vertriebenen-Präsidentin und CDU-Bundestagsabgeordnete ist sicherlich nicht die finstere Revanchistin, als die sie in polnischen Medien und von Politikern im Nachbarland dargestellt wird. Sie hat sich im Gegenteil etwa gegen Entschädigungsforderungen einiger radikaler Vertriebener gestellt. Und doch hat sie durch manche überzogene Äußerungen in der Vergangenheit und durch ihre frühe Ablehnung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze dazu beigetragen, dass sie in Polen zur Reiz-, ja Hassfigur geworden ist. Auch wenn dieses Bild überzeichnet sein mag: Ein Versöhnungswerk, das sie selber will, kann mit ihr an prominenter Stelle nicht gedeihen.

Außenminister Guido Westerwelle lehnt deshalb, wie sein SPD-Vorgänger Frank-Walter Steinmeier, aus gutem Grund die Berufung Steinbachs in den Stiftungsrat ab. Von diesem Veto wird er sich durch das vermeintliche Angebot des BdV nicht abbringen lassen. Denn ließe sich die FDP darauf ein, würde sie nicht nur Westerwelle desavouieren. Die Bundesregierung würde damit vielmehr auch den Eindruck bestärken, dass die Stiftung ein reines Projekt der Vertriebenen wäre. Das ist es aber längst nicht mehr.

Das Vertreibungszentrum ist erst nach langem Gezerre mit Polen beschlossen worden. Um die dort bestehenden Bedenken auszuräumen, wurde in einem Gesetz auch beschlossen, dass die Stiftung an das Deutsche Historische Museum angegliedert wird. Damit sollte der Verdacht vermieden werden, dass die Erinnerung an die Vertreibung aus dem Kontext der deutschen Kriegsschuld gelöst wird, und dass eine Unrecht mit dem einzigartigen Unrecht des deutschen Angriffskrieges aufgerechnet werden könnte.

Die Bundesregierung kann sich nicht darauf einlassen, diesen Kompromiss wieder infrage zu stellen. Doch alles deutet darauf hin, dass der Konflikt um Steinbach nun in eine neue Runde geht. Die CSU, die sich schon immer als Fürsprecherin der Vertriebenen verstand, hat bereits ihre Unterstützung für den Steinbach-Vorschlag angekündigt. Teile der CDU neigen auch dazu. Westerwelle und die FDP dagegen geben sich zwar gesprächsbereit. Sie werden aber von ihrer Position kaum ablassen.

Am Ende wird es daher auf die Kanzlerin ankommen. Sie hat sich bislang damit begnügt, darauf zu verweisen, dass der BdV Steinbach offiziell noch nicht nominiert hat und das Kabinett deshalb noch nicht entscheiden musste. Nun aber liegt praktisch ein Ultimatum des Vertriebenenverbandes auf dem Tisch: Geht die Regierung nicht auf seine Bedingungen ein, wird er seine Präsidentin für den Beirat benennen. Dann kann Merkel nicht mehr ausweichen. Sie wird sich deshalb endlich entscheiden müssen: Sind ihr die historische Aussöhnung mit Polen und gute Beziehungen zum Nachbarland wichtiger oder die Rücksichtnahme auf konservative Strömungen in der Union. Agiert sie als Kanzlerin und Staatsfrau oder als Parteipolitikerin und Machttaktikerin. Beides zugleich ist in diesem Fall nicht zu haben.

Quelle: ZEIT ONLINE

Ludwig Greven

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