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Streit um Flug mit Ortskräften aus Afghanistan: Die Empörung der Union ist geschichtsvergessen
Tausende Menschen, mit denen die Deutschen zusammengearbeitet haben, harren in Afghanistan aus. Sie müssen vor der Rache der Taliban gerettet werden. Die Bundesregierung muss ihr Wort halten.

Stand:
Annalena Baerbock lässt sich vieles vorhalten, an ihrer Politik als Außenministerin vieles kritisieren – aber nicht die Charterflüge für gefährdete Menschen aus Afghanistan nach Deutschland. An diesem Mittwoch kommt der nächste Flug. Die Empörung von Politikern der Union darüber ist geschichtsvergessen.
Solche Flüge zu verbieten – wenn das der Kurs der neuen Bundesregierung sein soll, dann zeugt er eben gerade nicht von dem politischen Anstand, den beispielsweise der sächsische Innenminister Armin Schuster anmahnt. Bis heute harren Tausende ehemalige Ortskräfte in Afghanistan aus, mit denen nicht zuletzt deutsche Soldaten zusammengearbeitet haben. Sie leben in Angst, verstecken sich vor Folter und Morden der Taliban.
Bei denen ist die Regierung im Wort. Rund 2800 Menschen aus Afghanistan haben noch die Zusagen für eine Aufnahme hier im Land. Diese Zusagen gelten fort.
Die Gefährdeten hätten längst herausgeholt werden müssen
In diesem Monat sind noch insgesamt drei Flüge geplant: am Mittwoch und am 23. und 29. April. Neben den ehemaligen Ortskräften sind es auch andere besonders Gefährdete, Menschenrechtsanwälte und Frauenrechtlerinnen. Wenn man der Bundesregierung – der alten – etwas vorwerfen will, dann, dass sie die Betroffenen nicht schon längst herausgeholt hat.
Menschenrechtsorganisationen haben früh gewarnt. Dass die deutschen und alle anderen westlichen Truppen abziehen wollten, war 2021 monatelang vorher bekannt. Die Warnungen verhallten. Jetzt auf neue Mahnungen zu hören, ist das Gegenteil von „infam“ und „verbohrt“, wie es die CDU der scheidenden Außenministerin vorhält. Deutschlands Menschlichkeit wird auch am Hindukusch verteidigt.
Da ist es unter dem Gesichtspunkt von Humanität und Verlässlichkeit eine sehr unglückliche Ankündigung, dass unter einem Kanzler Friedrich Merz „diese Flieger aus Afghanistan nicht mehr kommen“ werden. Die Union weiß nur zu gut, dass in absoluten Zahlen vergleichsweise wenige kommen.
Die Signalwirkung hätte dagegen eine unvergleichlich große Signalwirkung. Mit andererseits notwendigen Abschiebungen von Intensivstraftätern oder Islamisten hat das nichts zu tun. Alle, die jetzt geholt werden, sind strikt sicherheitsüberprüft.
Viele haben in Afghanistan für deutsche Stellen ihr Leben riskiert. Im Grunde müsste die neue Regierung sogar noch mehr tun, mehr Ortskräfte und Familienangehörige retten, um eine unrühmliche Geschichte gut enden zu lassen.
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