
© AFP/JACK GUEZ
Tausende demonstrieren beim „Tag der Störung“: Was will Netanjahu noch alles riskieren?
Eine Justizreform, die keine ist, spaltet das Land. Das kann, das darf so nicht weitergehen.

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Und wieder sind Tausende auf den Straßen, in Tel Aviv und anderswo. Israelis demonstrieren, sie blockieren – es ist ein „Tag der Störung“. Gestört, am besten verstört werden soll die ultrarechte Regierung. Warum? Weil ihre sogenannte Justizreform als „Zerstörung der Demokratie“ empfunden wird.
Seit Monaten geht das nun schon so, ohne dass das Kabinett Netanjahu – das am weitesten rechts gerichtete in der Geschichte und noch dazu ultrareligiös – wirklich einlenken wollte. Da kann kritisieren, wer will, im Land und darüber hinaus. Selbst US-Präsident Joe Biden, der jetzt seinen Unwillen deutlich wie nie gemacht hat, richtet nichts aus. Jedenfalls bisher nicht.
Dem Höchsten Gericht Israels soll es künftig nicht mehr möglich sein, eine Entscheidung der Regierung und einzelner Minister als „unangemessen“ zu bewerten. Dieser umstrittene Gesetzentwurf ist jetzt in der Knesset, dem Parlament, verabschiedet worden. Kritiker im In- und Ausland fürchten um die Gewaltenteilung und befürchten, dass der Korruption Tür und Tor geöffnet wird, mitsamt einer willkürlichen Besetzung wichtiger Posten.
Das Ziel des Gesetzesvorhabens ist durchsichtig
Wer da wohl profitieren würde? Keine Frage: umstrittene Minister des Kabinetts und der Premier. Netanjahu wird ja selbst Korruption vorgeworfen. So wirkt das Vorhaben denn auch arg durchsichtig.
Aber der Ministerpräsident hält daran fest, wie er dem Staatspräsidenten Itzhak Herzog inzwischen ungeachtet aller Proteste mitgeteilt hat. Herzog, der unablässig für Gespräche und einen Kompromiss wirbt und vor einer Spaltung, ja einem Zerreißen des Landes warnt. Wenn sogar der Polizeichef von Tel Aviv lieber demissioniert als Forderungen aus der Regierung nach hartem Durchgreifen gegen Demonstranten Folge zu leisten, dann zeigt das die Lage.
Demnächst reist Präsident Herzog nach Washington zu seinem Kollegen Biden. Das wird ein spannender Besuch; das Wort passt in mehrerlei Hinsicht. Die USA sind nicht nur die große Schutzmacht Israels, sondern auch ein wichtiger finanzieller Geber.
Israel wird natürlich auch unterstützt als die einzige funktionierende Demokratie im Nahen und Mittleren Osten, also als Vorbild für eine ganze Region. Diese Funktion gerät in Gefahr. Damit auch die Hoffnung, sich politischen Kredit mit weiteren Abkommen zu sichern.
Zunehmende Kritik international an Israel kann auch als eine Form von Ächtung verstanden werden. Und das wiederum führt zu demonstrativer Zurückhaltung bei allen verschiedenen Formen der Unterstützung. Ob die Regierung Netanjahu das riskieren will? Leisten kann sie es sich nicht. Um Israels willen.
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