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Meinung: Transitland Deutschland

Die Blockade der Eurovignette schadet der Bahn

Von Michael Cramer Das Veto der Bundesregierung gegen eine europäische Lkw-Maut nach dem Schweizer Modell schadet vor allem der Bahn, denn im unfairen Wettbewerb mit Straßen- und Flugverkehr hat sie keine Zukunft. Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey wird der Schienen-Güterverkehr in Europa trotz Milliarden-Investitionen noch einmal um 30 bis 40 Prozent zurückgehen.

Die Schweizer Maut ist ein Erfolgsmodell, weil die Verlagerung von der Straße auf die Schiene gelungen ist. Die Maut gilt dort für alle Lkw ab 3,5 Tonnen und auf allen Straßen. Sie ist etwa viermal so hoch wie in Deutschland, weil die externen Kosten durch Umwelt-, Gesundheits- und Sachschäden mit berücksichtigt werden.

Anstatt dieses Modell zu kopieren, setzte die schwarz-rote Bundesregierung durch, dass jeder Mitgliedstaat die Ausweitung der Maut auf Lkw ab 3,5 Tonnen verweigern kann, wenn es zu verstopften Bundesstraßen durch Ausweichverkehr, zu Umweltbeeinträchtigungen, erhöhten Lärmbelästigungen oder zu mehr Staus kommt. Das Gleiche gilt, wenn die Kosten der Mauterhebung mindestens 30 Prozent der zusätzlichen Einnahmen betragen. Solch riesige Schlupflöcher lassen sich nirgendwo schließen!

Bei der Internalisierung der externen Kosten torpedierte Deutschland einen Kompromiss, für den Grüne und Sozialdemokraten im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments eine Mehrheit gefunden hatten. Um den ewigen Streit um das „objektive“ Berechnungsmodell zu beenden, sollten die Mitgliedstaaten das Recht haben, Kosten für Gesundheit und Umwelt bis zu 60 Prozent auf die Maut aufschlagen zu können, wenn keine endgültige Entscheidung für ein Berechnungsmodell innerhalb von fünf Jahren vorliegen würde. Weil dieser Vorschlag ein Ende der ewigen Ausreden bedeutet und zum Handeln gezwungen hätte, wurde dieses Modell von der deutschen Bundesregierung abgelehnt.

In der EU gab es wegen der Eurovignette zwei Konfliktlinien: zum einen den „Außen-Innen- Konflikt“, zum anderen den Ost-West-Konflikt. Die „Außenstaaten“ der EU wollen möglichst kostengünstig durch die „Transitländer“ wie Deutschland und Frankreich fahren. Die „östlichen“ Spediteure wollen ihren Vorteil von niedrigen Benzinpreisen und billigen Löhnen behalten, weil sie durch die Eurovignette stärker getroffen würden als ihre „westliche“ Konkurrenz.

Offensichtlich hat die schwarz- rote Bundesregierung noch immer nicht erkannt, dass mit dem Fall des eisernen Vorhangs die Randlage im toten Winkel der zweigeteilten Welt vorbei und Deutschland Transitland geworden ist. Deshalb müssen die Güter und Personentransporte im fairen Wettbewerb von der Straße auf die Schiene verlagert werden, will die Bevölkerung nicht in Stau und Abgasen ersticken.

Mit dem Verhalten Deutschlands wird aber nicht nur das Verlagerungsziel verfehlt. Die Deutsche Bahn, zu 100 Prozent in Staatsbesitz, wird entscheidend geschwächt. Die Eisenbahn in Deutschland muss – im Gegensatz zum Flugverkehr, der davon befreit ist – sowohl die Mineralölsteuer als auch im grenzüberschreitenden Verkehr die Mehrwertsteuer entrichten. Darüber hinaus gibt es in Form der Trassenpreise eine Schienenmaut für alle Züge auf allen Gleisen. Für die Straße gilt das nur ab 12 Tonnen, also für gerade mal zehn Prozent der 2,5 Millionen in Deutschland gemeldeten Lkw, und das auch nur auf den Autobahnen. Durch eine Ausweitung der Maut auf Lkw ab 3,5 Tonnen würden zusätzlich lediglich 17 Prozent erfasst. Nicht einmal dazu sah sich die große Koalition in der Lage.

Mit einer europaweiten Maut nach dem Schweizer Modell hätten die europäischen Bahnen eine Zukunft gehabt. So werden sie aufs Abstellgleis gestellt. Wer eine Verkehrspolitik „back to the Fifties“ betreibt, tritt nicht nur die deutschen, sondern auch die europäischen Interessen mit Füßen. Denn bei einer rückwärts gewandten Verkehrspolitik können weder Deutschland noch Europa die Kyoto-Ziele erreichen, zu denen sich beide verpflichtet haben.

Der Autor ist Mitglied des Europäischen Parlaments für die Grünen.

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