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Erdogan fordert Ächtung von Islamophobie: Türkei spielt ihre Rolle aus
Der türkische Premier Erdogan verzichtet in der angespannten Situation auf Populismus. Ein geschicktes Manöver, so der Kommentar unserer Autorin.
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Auffallend ruhig verliefen die Reaktionen in der Türkei auf den anti-muslimischen Schmähfilm aus den USA in den vergangenen Tagen. Unter der religiös-konservativen Regierung Erdogan ist der radikale Rand der Islamisten verkümmert – diese Entwicklung stärkt den Anspruch der Türkei, ein Modell für die Staaten des Arabischen Frühlings zu sein. Erdogan verurteilte klar und deutlich den „Terror“ der blutigen Proteste in Libyen, ließ aber auch keinen Zweifel daran, dass er den Film selbst für beleidigend hält. Ein geschicktes Manöver, das die türkische Führungsrolle in der Region unterstreicht.
Im eigenen Land fährt Erdogan eine Linie, die ein Motto von Franz-Josef Strauß auf türkische Verhältnisse überträgt. So wie Strauß stets darauf achtete, dass rechts von der Union keine wichtige politische Kraft entstehen konnte, so achtet Erdogan darauf, dass er mit seiner AK-Partei in der Türkei die erste Adresse für fromme muslimische Wähler bleibt. Erdogan hob das Kopftuchverbot an türkische Unis auf und verbesserte muslimischen Kreisen den Zugang zu einer guten Schulbildung. Vor kurzem schluckte die AKP sogar eine kleinere islamistische Partei.
Diese Einbindung islamistischer Wählerschichten in den politischen Mainstream ist die andere Seite einer Medaille, die im Westen und von Erdogans politischen Gegnern häufig als Islamisierung der Türkei kritisiert wird. Darüber, ob die Türkei unter Erdogan islamisch-konservativer wird oder ob die Regierung lediglich den lange von einer säkularistischen Staatsideologie unterdrückten islamisch-konservativen Charakter der Türkei mit demokratischen Mitteln ans Tageslicht bringt, lässt sich lange streiten. Tatsache ist, dass westliche Diplomaten in der Türkei in diesen Tagen nicht um Leib und Leben fürchten müssen.
Dabei ist Recep Tayyip Erdogan auf nationaler wie auf internationaler Ebene durchaus in der Lage, als Populist alle Register zu ziehen, wie er unter anderem mit seiner berühmt-berüchtigten „Assimilierungs“-Rede in Köln gezeigt hat. Doch offenbar weiß er auch, bei welchen Gelegenheiten sich Populismus verbietet.
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