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GASTKOMMENTAR: Umwelt macht Arbeit

Zusammen mit der Finanzkrise muss die Klimakrise gelöst werden. Doch die Bundesregierung verpasst diese Chance. Dabei wäre gerade jetzt die Zeit für einen "Grünen New Deal".

Ban Ki Moon, der UN-Generalsekretär, hat sich dafür ausgesprochen. Umweltminister Gabriel propagiert ihn. In dem Barack Obama nahestehenden Thinktank "Center for American Progress" wird an konkreten Konzepten zu seiner Umsetzung gearbeitet. Die europäischen wie die deutschen Grünen nehmen ihn ins Zentrum ihrer Programmatik. Aber die Bundesregierung wird ihm, wie es aussieht, bei ihrem Konjunkturpaket keinen Vorrang geben. Die Rede ist vom Grünen New Deal.

Der Grüne New Deal ist noch keine Praxis. Er ist eine Idee, die Hoffnung macht: Es ist vorteilhaft und möglich, eine starke Antwort auf die Finanz- und Wirtschaftskrise mit einer nachhaltigen Antwort auf die Klimakrise zu verbinden. Damit das gelingt, müssen mehrere Elemente zusammengefügt werden, die in der aktuellen deutschen Diskussion oft gegeneinander ausgespielt werden. Wie beim historischen Vorbild in den 30er Jahren geht es um eine Re-Regulierung der Märkte, um eine aktive Investitionspolitik des Staates, um Kampf gegen die Armut. Dazu kommen muss die ökologische Dimension, in deren Zentrum das Klimaproblem und damit die Energie- und Rohstoffeffizienz steht. Wir brauchen zudem, vor allem innerhalb der EU, eine starke Koordinierung der internationalen Anstrengungen.

"Der Kampf gegen die Erderwärmung darf nicht der Finanzkrise zum Opfer fallen." Dieser fordernde Satz stammt von Peter Löscher, dem Siemens-Chef. Recht hat er. Immerhin, vom Klimawandel wird gesprochen, während es um die Welternährungskrise, im Sommer noch großes Thema, heute recht still ist. Dabei ist der Getreidepreis global immer noch viel höher als 2005 - und die weltweite Armut steigt wieder. Die systemische Krise unserer Finanzmärkte verschärft diese Katastrophe. Helfen wir, etwa durch Technologietransfer? Es wäre in unserem eigenen Interesse. Wir sollten zugeben, dass wir bei der Energieeffizienz nicht wirklich gut sind und darunter ökonomisch ebenso leiden wie mit Blick auf die Klimapolitik. Bei den öffentlichen Liegenschaften mit Energiekosten von einer Milliarde Euro pro Jahr lassen sich durch verfügbare Technologien 300 Millionen Euro sparen. Das heißt doch: Bund und Länder sollen Schulen und Hochschulen und Kasernen und Krankenhäuser energetisch sanieren! Binnen vier Jahren alle öffentlichen Gebäude!

Zusätzlich fehlt eine Vorschrift für Energieversorger, dass sie ihren Stromabsatz jährlich um ein Prozent senken müssen. Wärmedämmung im Mietwohnungsbau muss nicht nur finanziell unterstützt werden, sondern auch ordnungspolitisch. Das schafft Arbeit nicht nur fürs Handwerk! Dem Ausbau von Offshore-Windparks droht ohne sichere Finanzierung Stillstand. Die Deutsche Bank versprach Minister Gabriel, die Kreditbedingungen sollten nicht schlechter werden als vor Beginn der Finanzkrise. Doch die waren schon zuvor extrem restriktiv. Es braucht daher angemessene Risikobewertungen und staatliche Ausfallbürgschaften.

Und sonst? Förderung ökologischere Lebensstile hilft. Ökologisch gestaltete KfZ-Steuer und eine Kennzeichnung effizienter Autos wären besser als eine Auto-Verschrottungsprämie. Investitionen ins Bahnnetz, Stromnetz, Breitband-Netz brauchen Priorität gegenüber Straßenbau. Der Bau eines europäischen Hochleistungsstromverbundes wäre übrigens eine zentrale Zukunftsinvestition. All das schafft Arbeit. Natürlich geht's nicht nur um Öko-Investitionen. Bildung und Wissenschaft ist die andere Front beim nachhaltigen Investieren, von der Kinderkrippe bis zur Helmholtz-Gesellschaft. Auch da entsteht Arbeit. Der Grüne New Deal zaubert die Krise nicht weg, gewiss. Er wäre aber für 2009 der beste Ansatz, um sie zu überwinden. Die Bundesregierung streitet ums Falsche. Sie orientiert nicht. Sie ist drauf und dran, eine große Krise zu vergeuden, weil sie keinen Aufbruch daraus macht.

Reinhard Bütikofer war von 2002 bis 2008 Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.

Reinhard Bütikofer

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