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Meinung: Union der Ohnmacht

Ob Ägypten oder Weißrussland: Die EU scheitert mit ihrer Bündnispolitik an den Rändern

Der Pomp war riesig, die Ergebnisse bescheiden: Als Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy 2008 im Pariser „Grand Palais“ die Mittelmeerunion mit einem Festakt ins Leben rief, sprach er von einem „historischen Moment“; 43 Staatschefs aus allen Mittelmeer-Anrainerstaaten versprachen Frieden, Demokratie und wirtschaftlichen Fortschritt – darunter auch Hosni Mubarak, der den Vorsitz der ersten Sitzungsperiode übernahm.

Heute liegt das Projekt im Sterben. Unions-Generalsekretär Ahmed Massade warf das Handtuch, frustriert über das fehlende Interesse vieler Staaten an der Mittelmeerunion. In Zeiten wie diesen, an denen nahezu täglich tausende Menschen in den südlichen Mitgliedsstaaten der Mittelmeerunion für Demokratie und Menschenrechte auf die Straße gehen, hört man von den Repräsentanten der Gruppe kein Wort. Warum gibt es keine Sondersitzung der Union, warum keinen Aufruf zur Achtung der Menschenrechte? Mehr und mehr wird klar, dass Sarkozy und mit ihm auch der Rest der EU in der Mittelmeerunion lediglich eine Art doppelten Schutzschirm sahen: Für die EU, um mithilfe despotischer Regime die Flüchtlingsproblematik und den Islamismus an ihrer Südflanke eindämmen zu können, für die Diktatoren im Süden, um unbehelligt von kritischen Fragen aus dem Norden kleptokratische Polizeiregime aufbauen zu können.

Das Scheitern der Mittelmeerunion wirft ein schlechtes Licht auch auf vergleichbare Mechanismen innerhalb der EU, die „östliche Partnerschaft“ zum Beispiel. Das Projekt, von Schweden und Polen ins Leben gerufen und von Deutschland unterstützt, soll ehemalige Sowjetrepubliken in Osteuropa und im Kaukasus „an die EU heranführen“. Im Falle Weißrusslands erlebt die Truppe gerade ein Desaster. Polens Außenminister Radoslaw Sikorski hatte im November seinen deutschen Kollegen Guido Westerwelle überredet, mit ihm nach Minsk zu reisen, um Diktator Lukaschenko vor den Wahlen ein Angebot zu machen: Demokratische Wahlen gegen Unterstützung durch die EU. Der freute sich stattdessen über den hohen Besuch, ließ die beiden im Staatsfernsehen als Beispiel für die internationale Anerkennung seines Regimes auftreten und fälschte ein paar Tage später dreist die Wahlen.

Das Problem der östlichen Partnerschaft ist dasselbe wie bei der Mittelmeerunion: Keiner weiß wirklich, wozu sie eigentlich da sein soll. Während die südlichen und östlichen Anrainer am liebsten so schnell wie möglich in die EU aufgenommen werden wollen, wollen die EU-Mitgliedsstaaten am liebsten ihre Ruhe. Für die meisten von ihnen sind und waren die Ost- und Süd-Projekte ein Ablenkungsritual. Die Menschen im Süden haben das nun begriffen – und fragen, was „Union“ und „Partnerschaft“ wert sind. Lieber gehen sie selbst auf die Straße und demonstrieren gegen die von der EU hofierten Despoten.

Letztlich stehen alle Untergruppierungen der EU für das gleiche Problem: Im Europa der 27 Mitgliedsstaaten gibt es längst keinen einheitlichen Konsens mehr über die Außenpolitik. Außenkommissarin Ashton ist schwach, das Bild der EU nach außen völlig zerstritten. Selbst das als Sonderverhältnis innerhalb der EU praktizierte Weimarer Dreieck aus Deutschland, Frankreich und Polen, das in dieser Woche feierlich wiederbelebt werden soll, hat sich als außenpolitischer Impulsgeber überlebt. Die Hoffnung, mittels einzelner Untergruppen eine gezieltere Politik nach außen und letztlich einen Imagegewinn für Europa zu erzielen, sie ist gescheitert.

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