Meinung: Von fünf zu sechs?
Die kleinen Parteien mühen sich, die kleine Unbekannte ist die AfD
Stand:
Eigentlich könnte es recht einfach sein für die kleinen Parteien. Man bedient die Wünsche der angestammten Wählerschaft, wartet den Wahlsonntag ab und versucht in Koalitionsverhandlungen das Beste für die eigene Klientel herauszuholen. Die Kleinparteien könnten Gewinn daraus ziehen, dass die Erwartungen an sie geringer sind als an Union und SPD. Darüber, ob ihr Spitzenkandidat Kanzlerqualitäten hat, müssen sie sich jedenfalls schon mal nicht den Kopf zerbrechen.
Bei dieser Wahl allerdings ist der ohnehin ungleiche Zweikampf zwischen Kanzlerin und Kandidat in den Hintergrund getreten. Stattdessen ist das Abschneiden der kleinen Parteien zum entscheidenden Faktor geworden: Schafft es die AfD in den Bundestag, fliegt die FDP zum ersten Mal raus, wie sehr haben die Grünen sich selbst geschadet, wird die Linke irgendwann doch noch mal regieren?
Eigentlich könnten die kleinen Parteien das Salz in der Suppe sein, sie könnten auch mal unkonventionelle Lösungen befördern. Auf das große Ganze müssen sie nur bedingt Rücksicht nehmen. Doch genau darin liegt das Problem: Denn manchmal genügt es eben nicht, sich im Recht zu fühlen.
Widersinnig ist es jedenfalls, dass eine große Koalition umso wahrscheinlicher wird, je stärker die kleinen Parteien insgesamt abschneiden. Im Zweifelsfall schaden sie damit dem politischen Wettbewerb. Politik wird nicht interessanter, sondern Unterschiede werden weniger klar erkennbar.
Die kleinen Parteien könnten das ändern, wenn sie nicht so verzagt auftreten würden. Im Moment aber erscheint die FDP vor allem als säkulare Filiale der Union, die Grünen wirken als die wohlfühligere SPD. Die Linkspartei beklagt sich darüber, dass sie von den anderen gemieden wird – und tut selbst wenig für ihre Integration ins politische System. Und die eurokritische AfD stellt bereits Bedingungen, bevor sie überhaupt den Einzug ins Parlament geschafft hat.
Sollten im nächsten Bundestag tatsächlich sechs statt fünf Fraktionen sitzen, dann wäre es an der Zeit, dass die kleinen Parteien ihre Rolle überdenken. Denn eine große Koalition sollte überhaupt nur der Ausnahmefall sein – selbst wenn viele Deutsche sich offensichtlich gerade eine solche Konstellation wünschen. Die kleinen Parteien, von der FDP bis zur Linken, müssten dann eine neue Rolle finden. Weg vom bequemen Mehrheitsbeschaffer, hin zu mehr eigenem Gestaltungsanspruch.
Natürlich wären damit auch unbequeme Fragen verbunden: Wie sehr kann die FDP ihrer Wählerschaft eine andere Koalition als mit der Union zumuten, wo sich doch die Milieus überdecken? Und wie sehr würde die Attraktivität der Grünen leiden, wenn sie in eine Rolle schlüpfen, für die früher einmal die Liberalen standen, nämlich die der nach allen Seiten offenen Funktionspartei?
Insofern würde ein Einzug der AfD in den Bundestag alte Gewissheiten beseitigen. Denn die Anhänger der eurokritischen Partei kommen aus verschiedenen Lagern. Vielleicht würde sich durch einen AfD-Erfolg die Euro-Politik kaum ändern – auf das Zusammenspiel der anderen Parteien aber hätte ihr Einzug in den Bundestag bestimmt Auswirkungen.
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