Meinung: Vorfahrt für Kinder
Von Robert Birnbaum
Stand:
In der Politik gibt es allerlei absonderliche Arten des Triumphs, doch selbst auf diesem Theater ist der Sieg, den die CDU/CSU mit dem letzten Kompromiss zum Unterhaltsrecht erzielt hat, ein ganz besonders merkwürdiger. Die Union hat nämlich über die SPD gesiegt, außerdem aber gegen sich selbst. Und weil das so ist, ist das Ergebnis in der Sache sogar überraschend vernünftig.
Dass dieser letzte Kompromiss überhaupt notwendig wurde, ist die Schuld von Ursula von der Leyen. Bevor die CDU-Familienministerin die CDU/CSU-Traditionswahrer mit ihrem Kitavorstoß auf die Barrikaden jagte, hat sich kein Mensch am Gesetzentwurf der SPD-Justizministerin Brigitte Zypries gestört. Seit den Barrikadekämpfern dämmert, dass sie die Schlacht gegen von der Leyen verlieren werden, sinnen sie auf Satisfaktion. Da kam das Unterhaltsrecht gerade recht. Gleichstellung der Ex-Ehefrau mit der unehelichen Neuen? Kommt nicht in die konservative Tüte. Die Union hat also den Vorrang der Ehe durchgesetzt, die SPD steht wieder einmal als familienpolitisch Getriebener da, diesmal nicht von der CDU-Ministerin in der neuen Mitte überholt, sondern zur Abwechslung mal vom CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder rechts.
Trotzdem ist das Ergebnis kein konservatives Manifest. Das neue Unterhaltsrecht schützt nämlich gar nicht mehr vorrangig die (gescheiterte) Ehe, sondern verschiebt den Blickwinkel zugunsten des zweiten Teils des Verfassungsartikels 6: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.“ Das kommt vor allem Kindern zugute. Was das Sorgerecht schon lange kennt, den Vorrang des Kindeswohls, vollzieht der Gesetzgeber beim Geld endlich nach. Aus dem – oft knappen – Unterhaltstopf werden zuerst die Ansprüche der Kinder bedient. Und zwar aller Kinder, egal, ob aus erster, zweiter oder gar keiner Ehe. Dann erst kommen Ehefrauen – frühere oder aktuelle. Zuletzt ist die uneheliche neue Partnerin an der Reihe. Diese Art zweierlei Maß ist das Zugeständnis an die Barrikadenkämpfer. Aber der Preis dafür ist auch nicht zu verachten. Für die Ex-Frau wie für jede Art von zweiter Partnerin soll künftig die gleiche Pflicht gelten, in absehbarer Zeit Arbeit zu finden. Das kann für die „Zweitfamilie“ große Entlastung bedeuten. Das schützt nicht die Ehe. Aber die Familie. Jede Familie.
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