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Pokerspieler Philipp Rösler: Was treibt die FDP?

Die FDP hätte mit der Bundespräsidentenwahl punkten können. Stattdessen hat sie Merkel brüskiert und ist ein unkalkulierbares Risiko eingegangen - in einer äußerst unpassenden Zeit.

Von Antje Sirleschtov

Sie hätte ein Befreiungsschlag für die darniederliegende FDP werden können: die Kür des Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten. Philipp Rösler hatte am vergangenen Sonntag alle Voraussetzungen dafür auf dem Tisch. Es gab überzeugende Argumente für seine Partei, den freiheitsliebenden und liberalen Kandidaten Joachim Gauck zu ihrem Favoriten zu erklären. Einen Kandidaten, der im Volk populär und bei SPD und Grünen gesetzt war.

Noch dazu hatte die CDU-Chefin Angela Merkel keine überzeugende und durchsetzbare Alternative im Ärmel. Es sprach also sehr viel dafür, dass der FDP-Vorsitzende am Ende als strahlender Sieger eines harten Verhandlungsprozesses in der Koalition vom Platz geht; als FDP-Chef zumal, der seine Partei aus der Umklammerung der Union wieder in die Mitte des Parteienspektrums rücken kann.

Doch Philipp Rösler hat die Operation gründlich vermasselt. Statt konsequent und fair mit Angela Merkel zu verhandeln, um hinterher die Anerkennung für seine FDP einfahren zu können, hat er sein Gegenüber, die Bundeskanzlerin, mitten in den Gesprächen auf offener Bühne in die Ecke getrieben und vorgeführt. So diskreditiert man sich als verlässlicher Partner in einer Koalition.

Doch damit nicht genug: Der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister hat auch noch – in der schwersten Krise der Europäischen Union – mit dem Feuer eines Koalitionsbruchs und einer Regierungskrise in Deutschland gespielt. Ohne dass seiner Zwei-Prozent-Partei auch nur ein erkennbarer strategischer Vorteil daraus erwachsen wäre.

Das ist nur die eine Seite. Wie hätte Rösler seinen Kamikazeflug den Menschen in Athen und den europäischen Nachbarn erklären wollen? Sorry, Rettungsschirme geplatzt, der Euro leider auch am Ende, weil der Philipp mal ausprobieren wollte, wie es ist, wenn man an den ganz großen Rädern dreht? Kurzsichtig und verantwortungslos war das. Und man fragt sich, was den Mann getrieben hat.

Will Rösler den schwarz-gelben Karren beim Koalitionstreffen in acht Tagen wieder bis kurz vor den Abgrund fahren – dann wegen ein paar Steuersenkungen? Wie inhaltsleer die FDP auch knapp ein Jahr nach dem Führungswechsel noch immer ist, hat ihr Vorsitzender am vergangenen Sonntag selbst offengelegt. Für welches Wachstum die Wähler seine Partei im Saarland und Anfang Mai in Schleswig-Holstein wählen sollen, liegt im Dunkeln. Und die Chancen, der Union bis zur Bundestagswahl noch einen einzigen Kompromiss abringen zu können, stehen nach dem letzten Sonntag nahe null. Keinen Millimeter werden CDU und CSU ihrer Kanzlerin gestatten, diesem Rösler noch entgegenzukommen.

Da kann sich der Oberliberale jetzt noch so stolz damit brüsten, Frau Merkel in die Knie gezwungen zu haben. Wenn der Rausch erst einmal vorüber ist, wird nur noch ein schaler Nachgeschmack übrig bleiben. Von jenem Sonntag, an dem der Vorsitzende der kleinen FDP einmal ganz groß sein wollte.

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