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Von Mercedes Bunz: Wir wollen gar nicht klauen

Zu den Piraten und dem Generationenkonflikt im Netz – eine Replik

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Erneut tobt durch diese Gesellschaft eine Urheberrechtsdebatte. Und zwar heftig. Die eine Seite prangert an, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei, die andere mahnt vor überbordender Überwachung im Internet. Hier besteht man auf das Urheberrecht, dort beschwört man die Chancen der Verfügbarkeit von digitalem Wissen.

Es geht eine Spaltung durch die digitalisierte Gesellschaft. Der Kollege Joachim Huber hat das vor einigen Tagen charmant als Generationenkonflikt beschrieben: Die Jungen wählen die Piratenpartei ins Europaparlament, welche die Reformierung des Urheberrechts (nicht seine Abschaffung!) verfolgt, während die Alten an den Regeln der bisherigen Medienwelt festhalten. „Früher forderten die alten Säcke lauthals ‚freie Liebe’, jetzt fordern sie ein ‚kostenpflichtiges Internet mit Rechten und Pflichten’.“ Leider ist das Problem falsch beschrieben. Erziehung wird hier nicht viel helfen, denn man hat es mit einem Konflikt medialer Generationen zu tun.

Tatsächlich ist die Verletzung des Urheberrechts im Netz für Tageszeitungen kein akutes Problem, dennoch schüren diverse Verlage diese Debatte, weil in der aktuellen Krise viele davon träumen, ihre im Netz umsonst zur Verfügung gestellten Inhalte in sogenannten „Paid Content“ (bezahlten Inhalt) zu verwandeln. Das jedoch wird ein Traum bleiben. Denn das Internet hat die Informationskultur, in der wir leben, vom Kopf auf die Füße gestellt.

Bislang ist Information Mangelware gewesen. Ihr Suchen war genauso mühsam wie ihre Verbreitung aufwendig. Seit dem Internet und der zunehmenden Vernetzung unseres Alltages ist das vollkommen anders geworden. Es sind nicht nur Millionen von Privathaushalten an die internationale Verbreitung von Information angeschlossen worden. Während wir früher für Nachrichten eine Zeitung kaufen, das Radio oder den Fernseher anschalten und uns aktiv bemühen mussten, um an Neuigkeiten zu gelangen, folgen einem die Nachrichten heute überallhin. Sie lassen sich während der Arbeitszeit im Büro am PC abfragen, sie begleiten uns auf dem Weg nach Hause im U-Bahn-Display oder auf dem Handy.

Und nicht nur Nachrichten buhlen um unsere Aufmerksamkeit. Minütlich trudeln E-Mails im digitalen Postkasten ein. Auf dem Mobiltelefon sind wir ebenfalls ständig erreichbar. In der heutigen Welt werden wir von Informationen geradezu überschüttet, und damit hat sich der Wert der Information radikal verändert. Es ist gut denkbar, dass man bald Geld dafür bezahlt, Informationen nicht mehr bekommen zu müssen und mal abschalten zu können – etwa, weil man sich von einer Marke überall gut informiert fühlt. Diesen Umstand grundlegend zu verstehen und zum neuen Kerngeschäft zu machen, darin liegt in diesem neuen und schwierigen Umfeld eine Chance für Verlage.

Deshalb: Dass junge Wähler die Piratenpartei gewählt haben, ist kein Plädoyer für ein Klauen von Inhalten. Es ist ein Zeichen, dass sich die Zeiten geändert haben.

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