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Zehn Jahre Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma. Inzwischen gibt es sm Gedenkort im Berliner Tiergarten auch eine neue Ausstellung, die die Geschichte weiterer Opfer des Völkermords erzählt.

© Foto: epd/Christian Ditsch

Zehn Jahre Mahnmal in Berlin : Sinti und Roma – weiter Opfer zweiter Klasse?

Der Bundespräsident hat mit seiner Rede beim Festakt klargemacht, was der Ort in Berlins Tiergarten bedeutet. Aber nicht, dass er in Gefahr ist.

Andrea Dernbach
Eine Kolumne von Andrea Dernbach

Stand:

Es ist gut, dass der Bundespräsident an diesem Montag die Rede zu zehn Jahren Denkmal der Sinti und Roma gehalten hat. Alles, was er sagte, war ebenso richtig wie wichtig. Er machte nicht nur die mörderische NS-Verfolgung der Minderheit zum Thema, sondern auch die Kontinuitätslinien in die Gegenwart.

Die wenigen Überlebenden – eine halbe Million Sinti und Roma aus ganz Europa fielen dem Völkermord zum Opfer – mussten noch im Nachkriegsdeutschland erleben, dass Diskriminierung und Entrechtung weitergingen, dass die Massenmorde verdrängt, ja ihr rassistischer Hintergrund geleugnet oder sogar gerechtfertigt wurde – bis hin zum Bundesgerichtshof.

Die Täter:innen von damals waren teils auf den alten Posten zurück, an Entschädigung für Sinti und Roma war nicht zu denken. Es begann das, was die Minderheit als zweite Verfolgung erlebte. Und es dauerte sogar, bis an einem Ort an ihre Leiden erinnert wurde, der der Dimension des Verbrechens angemessen ist. Im Tiergarten in Berlin, nur durch eine Straße getrennt vom Reichstagsgebäude, dem Sitz des Bundestags und auf Sichtkontakt zum Mahnmal für die ermordeten Juden Europas.

Dennoch hatte Steinmeiers Rede am Montag eine merkwürdigen Leerstelle: Das Mahnmal, dessen Bedeutung er mit seiner Rede würdigte, ist in Gefahr. „Mit diesem Gedenkort bekennt sich die Bundesrepublik Deutschland zu ihrer Verantwortung, die Erinnerung an den Völkermord an den europäischen Roma wachzuhalten“, sagte der Bundespräsident. „Dieser Ort ist ein ständiger Auftrag an Politik und Gesellschaft, an alle, die in unserem Land leben. Wir dürfen nicht vergessen, weil nie wieder geschehen darf, was damals geschehen ist!“

Zoni Weisz, Sinto aus den Niederlanden, der den NS-Völkermord überlebte, sprach beim Festakt.

© Foto: epd/Christian Ditsch

Dazu hätte allerdings unbedingt der Hinweis gehört, dass die Deutsche Bahn hier eine S-Bahn-Trassse anlegen will, die nach Meinung vieler in der Community – übrigens auch seines 2021 verstorbenen Schöpfers, des israelischen Künstlers Dani Karavan - das Werk irreparabel beschädigen könnte. Der Bundestag, stellt sich bisher taub. Einen Verlauf der Trasse, der das eigene Grundstück beeinträchtigen könnte und sei es nur auf Zeit, hat die Baukommission des Parlaments bisher abgelehnt.

Was aus dem Gedenkort wird, setzt ein Zeichen, im Guten wie Schlechten

Verfolgung, Entrechtung und Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden sind zum Glück Teil der aktiven Erinnerung Deutschlands geworden, eine Verpflichtung, die politisch nicht mehr hintergehbar ist. Auch wenn Juden heute, in Gesellschaft, Politik und im Alltag, auch acht Jahrzehnte danach noch antisemitisch angegriffen, beleidigt, bedroht werden: Hier setzt der Staat ein Zeichen.

Für Sinti und Roma, ihre Anerkennung als Minderheit und ihres Leidens, ist inzwischen Vieles geschehen: Es gibt einen Bundesbeauftragten und Staatsverträge, die letzte Regierung Merkel gab einen Bericht über ihre Lage in Auftrag und erhob Daten, die zum Ausgangspunkt für gegensteuernde Politik werden müssen. Nach wie vor sind sie auf Wohnungs- und Arbeitssuche und dramatisch bei der Bildungsbeteiligung benachteiligt.

Und dann gibt es das Mahnmal. Sollte es nun in Gefahr geraten – oder gar der S-Bahn-Untertunnelung zum Opfer fallen – wäre auch dies ein Zeichen. Dafür nämlich, dass Sinti und Roma für den deutschen Staat doch weiter Opfer zweiter - dritter? - Klasse sind.

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