Von Gerd Nowakowski: Zulasten der Kinder
Gleichmacherei: Berlins Schulen brauchen mehr Geld und weniger Ideologie
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Es geht um das Beste für unsere Kinder. Das muss man der rot-roten Koalition immer wieder sagen, wenn sie sich vorrangig mit faulen Kompromissen zur Sicherung der Bündnisstatik beschäftigt. Ob die Losquote für Gymnasien 50, 33 oder 25 Prozent beträgt, ist weiterhin offen; zumindest gibt es Bewegung in der ideologisch aufgeladenen Debatte. Für eine 25-Prozent-Regelung spricht, dass gefragte Gymnasien dann etwa so viele Kinder über die Quote aufnehmen wie derzeit schon ohne Grundschulempfehlung kommen. Der Elternwille bliebe berücksichtigt. Zugleich wäre gewährleistet, dass Schulen begabte Kinder für ihr spezielles Profil auswählen können.
Im Streit um die Losquote geht fast unter, dass dies nur ein kleiner, freilich nicht unwichtiger Aspekt ist. Das Ziel ist größer: Es geht um ein komplett neues Schulsystem für Berlin. Ab 2010 sollen die Hauptschule verschwinden und neben den Gymnasien nur noch die neue Sekundarschule existieren. Statt der pädagogischen Resterampe Hauptschule könnte Berlin Kindern die Chance bieten, auf jedem Bildungsweg zum Abitur zu kommen: jeder nach seiner Fähigkeit, jeder nach seiner Geschwindigkeit – und vor allem sozial durchlässiger. Spätstarter kommen auf der Sekundarschule in 13 Jahren zum Abitur, die auf dem Gymnasium nach zwölf. Wenn dies gelänge, wäre Berlin tatsächlich, wie Bildungssenator Zöllner sagt, Vorreiter in Deutschland. Das Modell kann aber nur funktionieren, wenn die Sekundarschulen für den Förderbedarf mit den nötigen personellen und finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Das nämlich ist die Berliner Krankheit: Viele Reformen diskreditieren sich, weil es an der Umsetzung hapert. Ohne die nötigen Mittel müssen gute Ideen wie etwa das jahrgangsübergreifende Lernen scheitern.
Nur dann muss niemand – wie etwa Grüne und Linke – befürchten, die Sekundarschule werde zur minderwertigen, zweiten Wahl, wenn Schüler nach nicht bestandenem Probejahr vom Gymnasium abgehen müssen. Dagegen steht die einheitliche Leistungsmessung durch das Zentralabitur. Das Probejahr ist der Preis dafür, dass weiter der Elternwille entscheidet. Wer sein Kind auf das Gymnasium schicken will, kann das tun – und ein Probejahr gibt den Kindern mehr Zeit, sich zu beweisen. Unsinn ist dagegen das Argument, nur mit einer hohen Losquote und dem Verzicht auf eine Probezeit könne man Bildungserfolg von der sozialen Herkunft trennen. Kaputtgemacht wird damit nur die Leistungsfähigkeit der Gymnasien – und die Sekundarschule schlechtgeredet. Das ist Gleichmacherei zulasten der Kinder: der am Gymnasium überforderten ebenso wie jener, die wegen der hohen Losquote ohne Chance sind, nach ihren Talenten beschult zu werden.
Der Widerstand der Linkspartei wird nur erklärlich aus deren Angst, dass ihr Lieblingsprojekt Gemeinschaftsschule untergeht: Das Beste für die Kinder soll deshalb gegen die Ideologie zurückstehen. Dazu aber ist das Ziel zu wichtig – und die Situation an den Schulen zu ernst.
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