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Melodien für Millionen: Zum Tod von Lalo Schifrin
Lalo Schifrin war stolz darauf, ein Eklektiker zu sein. Als Komponist verband er Avantgarde mit Pop – und schuf mit dem „Mission: Impossible“-Titelstück einen Hit für die Ewigkeit.
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Worum geht es in der Musik, was ist ihr Sinn? „Strawinsky sagte, Musik habe keinen anderen Zweck, als sich auszudrücken“, hat Lalo Schifrin in einem Interview erzählt. „Ich finde das etwas zu extrem. Der Zweck der Musik ist es, die Emotionen der Menschen anzusprechen.“
Der argentinische Pianist, Komponist und Dirigent, der am Donnerstag mit 93 Jahren in Los Angeles gestorben ist, hat mit seiner Musik Millionen, vielleicht Milliarden Menschen erreicht.
Seine Soundtracks für die „Mission: Impossible“-Thriller, den Steve-McQueen-Krimi „Bullitt“ oder das Kriegsdrama „Der Adler ist gelandet“ revolutionierten die Filmmusik. Weil sie die Kinobilder nicht bloß untermalen, sondern antreiben. Ihnen gelingt das Kunststück, Avantgarde mit Pop zu verbinden.
Die Bläsersätze in „Mission: Impossible“ sind so rasant, die Flötenmelodie so schrill, dass ein paar Sekunden genügen, um sie für immer im Ohr zu haben. Ursprünglich entstand die Filmmusik 1966 für eine Fernsehserie, die in Deutschland unter dem Titel „Kobra, übernehmen Sie“ lief.
Als „Mission: Impossible“ 1996 unter der Regie von Brian de Palma ins Kino kam, erwies sich Schifrins Komposition als idealer emotionaler Verstärker für Tom Cruises irrwitzige Stunts in der Rolle des Hochrisiko-Agenten Ethan Hunt. Der achte und vielleicht letzte Teil des Hollywood-Franchises, Untertitel: „The Final Reckoning II“, kam im Mai heraus, immer noch mit Cruise und Schifrins Bläser-Stakkato.
Lalo Schifrin, 1932 in Buenos Aires geboren, hatte am Pariser Konservatorium bei Olivier Messiaen studiert und nebenher als Jazz-Pianist gearbeitet. Zurück in Argentinien, gründete er ein Jazz-Orchester und lernte Dizzy Gillespie kennen, dem er 1958 in die USA folgte, um sich dessen Bigband anzuschließen.
Schifrin brachte Bossa-Nova- und Samba-Alben heraus und schrieb 1964 für den Surf-Film „Gone with the Wave“ seinen ersten Soundtrack.
Den Durchbruch in Hollywood schaffte der Komponist ab 1971 mit den „Dirty Harry“- Filmen, in denen Clint Eastwood als Hardboiled-Polizist Harry Callahan Mörder und Vergewaltiger jagt. Eastwood agiert brutal, doch Schifrins Musik klingt – anders als bei „Mission: Impossible“ – eher sanft und elegisch.
Seine Autobiografie, 2008 erschienen, heißt „Mission Impossible: My Life in Music“. Darin erinnert sich Schifrin an seine Kindheit und Jugend im peronistischen Argentinien. Als kleiner Junge ging er jeden Samstag mit seiner Großmutter ins Kino und erlebte dort sein Erweckungserlebnis: „Meinen Klassenkameraden im Gymnasium erzählte ich, dass ich am Wochenende einen Horrorfilm gesehen hatte, aber ich wette, ohne die Musik wäre er nicht so gruselig gewesen!“ Seither war er den Filmen und Tönen verfallen.
„Ich bin stolz darauf, ein Eklektiker zu sein“, hat Schifrin gesagt. Frédéric Chopin und Hector Berlioz waren genauso seine Vorbilder wie George Gershwin oder Count Basie. „Ich verstehe nicht, warum die Leute dazu neigen, Musiker in Schubladen zu stopfen und zu denken, klassische Musik gehört in ein Museum, Jazz hingegen in ein anderes.“ Klassische Musik, Jazz und Pop: Lalo Schifrin war in allen Welten zu Hause.
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