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Mögliche Völkerrechtsverstöße und Chat-Affäre: Lässt Trump seinen „Kriegsminister“ Hegseth fallen?
Sogar die eigene Partei kritisiert den Verteidigungsminister: Pete Hegseth muss um seinen Job bangen. Nicht zum ersten Mal. Jetzt kommt es auf den US-Präsidenten an.
Stand:
Anfang September ist sich das US-Militär sicher: In der Karibik fährt ein Boot aus Venezuela, das Drogen in die USA schmuggelt. Der Verteidigungsminister gibt daraufhin eine Direktive aus. „Der Befehl war, alle zu töten“, zitiert die „Washington Post“ in einem Artikel Ende vergangener Woche eine anonyme Quelle, die direkte Kenntnis von der Operation gehabt haben soll.
Eine Rakete wird abgefeuert und setzt das Boot nach Angaben der Zeitung in Brand. Doch es blieb nicht bei einem Schuss. Zwei Überlebende sollen sich demnach an die Überreste des Schiffes geklammert haben. Der zuständige Offizier soll daraufhin einen zweiten Schlag angeordnet haben, um die Befehle des Ministers auszuführen. Die beiden Überlebenden seien von einer Rakete zerfetzt worden, schreibt die „Washington Post“.
Es ist ein Vorwurf, der schwerer kaum wiegen kann. Haben die USA zwei wehrlose Männer in Seenot gezielt getötet? Und was wusste Verteidigungsminister Pete Hegseth?
Der Vorgang gibt einen Eindruck von der Art und Weise, wie der 45-Jährige sein Ministerium führt – und wirft auch unter Republikanern die Frage nach seiner Eignung für einen Apparat auf, der 2026 mehr als 960 Milliarden Dollar aus dem US-Haushalt bekommen soll. Denn nicht nur die Attacke auf zwei vermeintliche Drogenschmuggler, die ein klarer Völkerrechtsbruch wäre, wird derzeit diskutiert.
Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob US-Präsident Donald Trump an einer seiner umstrittensten Personalien noch festhalten wird.
Auch die Signal-Affäre holt Hegseth nun ein
Seit Januar dieses Jahres ist Hegseth Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten – und seine Bestätigung hätte knapper nicht ausfallen können. Da auch viele Republikaner an der Kompetenz des ehemaligen Fox-News-Moderators zweifelten, kam es zu einem Patt im Senat, das nur durch die Stimme von US-Vizepräsident J.D. Vance zugunsten Hegseths aufgelöst werden konnte.
Der Neuling nahm Platz im Pentagon. Bis zu Hegseths erstem Skandal dauerte es jedoch nicht lange. Dieser wurde bekannt unter dem Namen „Signalgate“. Im März hatte er eine Chatgruppe auf dem Messenger-Dienst Signal erstellt und dort die Pläne des US-Militärs für einen Angriff auf die Huthi-Miliz im Jemen besprochen.

© REUTERS/Brian Snyder
Das Problem: Neben dem damaligen Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz und Vizepräsident Vance fügte Hegseth auch den Chefredakteur des „Atlantic“-Magazins, Jeffrey Goldberg, zur Gruppe hinzu.
Goldberg machte die Pläne Ende März öffentlich, ohne jedoch Details zu nennen, um Soldatenleben nicht zu gefährden. Hegseth wirkte durch die Verwendung einer gängigen Chat-App zum Austausch militärisch hochsensibler Informationen wie ein Dilettant – es gab Forderungen nach seinem Rücktritt, ohne Erfolg.
Doch der Fall holt Hegseth wieder ein. Das Verteidigungsministerium selbst kommt in einem am Donnerstag veröffentlichten Untersuchungsbericht zu dem Schluss, dass Hegseth durch die Verwendung seines persönlichen Mobiltelefons und der nicht geschützten App Signal gegen Sicherheitsprotokolle verstoßen und Soldatenleben gefährdet habe. Das berichten mehrere US-Medien übereinstimmend.
Ähnlich schwer wiegen aber auch die Vorwürfe eines möglichen Kriegsverbrechens im Zusammenhang mit dem Angriff auf das vermeintliche Drogenboot.
Die Praxis der Trump-Regierung, angebliche Schmuggler gezielt zu töten, ist sehr umstritten. Einerseits wird den USA vorgeworfen, mehrfach gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben. Andererseits wird der behauptete Nutzen, also das Eindämmen des Drogenschmuggels in die USA, bestritten. Mindestens 22 Boote soll das US-Militär bereits bombardiert und dabei mindestens 71 Menschen getötet haben.
Der jetzige Fall hat jetzt allerdings auch scharfe Kritik innerhalb der republikanischen Partei hervorgerufen. „Inakzeptabel“ wäre es, sollte sich der Angriff so zugetragen haben, sagte Senator Jim Justice, der den Staat West Virginia vertritt. Rand Paul, Senator aus Kentucky, sagte, es sehe so aus, als ob die Regierung die Schuld auf jemand anderem abladen wolle.
Hegsetz weist die Verantwortung von sich
Hegseth hatte zuvor während einer Kabinettssitzung die Verantwortung von sich gewiesen. Er sei zu dem Zeitpunkt nicht mehr im Raum gewesen, als die zweite Rakete auf die Überlebenden gefeuert wurde. Der zuständige Admiral Frank Bradley habe dennoch richtig gehandelt. Dieser sollte am Donnerstag vor Abgeordneten zum Fall aussagen.
Und sogar Trump selbst sagte am Mittwoch, dass er kein Problem damit hätte, wenn ein Video der zweiten Rakete auf die beiden Überlebenden veröffentlicht würde, wenn es solche Aufnahmen gebe.
Zwar hätten die Republikaner sicherlich nicht plötzlich moralische Skrupel, sagt Christian Lammert, Professor für Politikwissenschaft am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin. „Die Vorwürfe möglicher Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit den Bootsangriffen vor Venezuela sind aber innen- wie außenpolitisch toxisch.“
Zudem fühle sich die Partei im Kongress vom Pentagon übergangen. „Hegseth hat Ermittlungen und Informationspflichten gegenüber den relevanten Ausschüssen ausgebremst, hochrangige Offiziere wegen vermeintlicher Illoyalität abgesetzt und etwa eigenmächtig Truppenbewegungen in Osteuropa angeordnet, ohne das Parlament angemessen zu informieren“, sagt Lammert. Deshalb würden Hegseths Kompetenz und Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen.
Hegseth ist in Trumps Kabinett eine Schlüsselfigur für das Projekt eines aggressiven, ‚entfesselten‘ Sicherheitsapparats.
Christian Lammert, Professor für Politikwissenschaft am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin
Bisher allerdings stellt sich Trump schützend vor seinen Minister. Auch als es schien, dass der Verteidigungsminister durch die Signal-Affäre nicht mehr haltbar sei, ließ ihn der Präsident nicht fallen.
Hegseths Amtsführung ist zentral für Trumps Anliegen, das Militär auf Linie zu bringen. Besonders gut konnte man das an einem Auftritt Ende September sehen, als er vor Hunderten Generälen sprach. Er rief dabei ein „Krieger-Ethos“ aus, das wiederbelebt werden solle, und schimpfte über „fette“ Offiziere. Beförderungen nach Geschlecht oder Hautfarbe bezeichnete er als „ideologischen Müll“.
Verantwortlich für Chaos und Rechtsbrüche?
„Hegseth ist in Trumps Kabinett eine Schlüsselfigur für das Projekt eines aggressiven, ‚entfesselten‘ Sicherheitsapparats“, sagt Experte Lammert. „In dieser Logik ist Hegseth weniger austauschbarer Fachminister als personifiziertes Versprechen an Trumps Kernwählerschaft, militärische Macht demonstrativ und ohne Rücksicht auf liberale Normen einzusetzen.“
Dass der Präsident seinen „Kriegsminister“, wie er ihn seit Anfang September nennt, fallen lässt, ist deshalb nicht ausgemacht. Das Weiße Haus verteidigte Hegseth nach kritischen Berichten über seine Rolle bei dem Militärschlag auf das vermeintliche Drogenboot.
Dennoch sieht Lammert auch eine Gefahr für Hegseth. „Trumps Loyalität ist traditionell strikt instrumentell“, sagt er. „Er schützt problematische Figuren, solange sie politisch nützlich sind und der Schaden, den sie ihm zufügen, geringer ist als der Preis eines Rücktritts.“
Sobald etwa Kongressuntersuchungen oder mediale Fokussierung das Narrativ drehen – vom „starken Kriegsminister“ hin zur Verantwortlichen für Chaos und Rechtsbrüche –, wachse der Anreiz für Trump, Hegseth zu opfern.
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