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Mützen, Spielzeugwaffen, Eier: All das ist im Bundestag verboten
„ACAB“-Hoodies und Baskenmützen: Bundestagspräsidentin Klöckner ist besorgt über Regelverstöße im Parlament. Was verboten ist – und wieso erfahrene Abgeordnete die Kleiderordnung gutheißen.
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Es war ein Online-Post mit Folgen: Nachdem die Grüne-Jugend Vorsitzende Jette Nietzard kürzlich auf Instagram ein Bild mit „acab“-Hoodie („All Cops are Bastards“, deutsch „Alle Polizisten sind Bastarde“) geteilt hat, brach ein Sturm der Entrüstung los, auch in der eigenen Partei.
Nun schaltete sich Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) ein. Wie das Nachrichtenportal „Politico“ berichtet, wandte sich Bundestagsdirektor Paul Göttke Ende Mai mit einem Brief an die Grünen-Fraktion – in Klöckners Auftrag.
In dem Schreiben, das „Politico“ vorliegt, weist Göttken „präventiv“ darauf hin, dass das Tragen des „acab“-Hoodies im Bundestag verboten sei. Sollte die Grüne-Jugend-Chefin das Parlament mit ihrem Pullover betreten, drohten ihr Konsequenzen.
Er bittet die Grünen-Fraktion zudem, über einen Entzug des Hausausweises von Nietzard nachzudenken. Die Chefin der Grünen Jugend ist keine Bundestagsabgeordnete, besitzt jedoch eine Zugangskarte zum Bundestag.
Nicht der erste Regelverstoß in der neuen Legislatur
Daneben sorgte ein weiterer Vorfall für Aufsehen. Klöckner bat den Linken-Abgeordneten Marcel Bauer während einer Plenarsitzung, seine Baskenmütze abzusetzen, „weil das hier Gepflogenheit im Haus ist“. Bauer weigerte sich und verließ den Saal, kehrte jedoch später mit derselben Kopfbedeckung zurück. Daraufhin schloss ihn Parlamentsvize Andrea Lindholz (CSU) von der Sitzung aus.

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Dass derartige Vorfälle zunehmen, könnte auch an den vielen neuen Abgeordneten liegen, die erst seit kurzem im Bundestag sitzen. Doch welche Kleidungsstücke und Gegenstände sind im Parlament überhaupt verboten? Die Hausordnung des Bundestags gibt darüber nur bedingt Auskunft.
Waffen sind verboten, Eier auch
Das Mitführen von Waffen, Munition und Sprengstoff ist eindeutig verboten, solange sie nicht „einem anerkannten Zweck des häuslichen Gebrauchs zuzuordnen sind“, also beispielsweise von der Bundestagspolizei genutzt werden. Darunter fallen auch Spielzeugwaffen.
Darüber hinaus gelten weitere Gegenstände als störend, etwa Fahnen, Flyer und „Gegenstände, die als Wurfgeschosse verwendet werden können“, zum Beispiel Eier. So regelt es die Hausordnung. Abgeordnete sind von diesen Verboten jedoch teilweise ausgenommen.
Die Präsidentin ahndet „unparlamentarisches Verhalten“
Von einer Baskenmütze oder einem polizeikritischen Hoodie ist in der Hausordnung nichts zu lesen. Dass diese Kleidungsstücke verboten sind, lässt sich jedoch aus einer bestimmten Formulierung in der Hausordnung ableiten, auf die auch Bundestagsdirektor Göttke in seinem Schreiben Bezug nimmt.
Es handelt sich um Paragraph 4, der das „Verhalten in Gebäuden“ regelt. Besucher hätten „die Würde des Hauses zu achten“ und „alle Handlungen zu unterlassen, die geeignet sind, die Tätigkeit des Deutschen Bundestages, seiner Gremien, Organe und Einrichtungen zu stören“, heißt es darin.
„In der parlamentarischen Debatte im Deutschen Bundestag gilt der Grundsatz, dass die politische Auseinandersetzung durch das Wort geführt wird“, erklärt Anna Rubinowicz-Gründler, Pressereferentin der Bundestagsverwaltung, dem Tagesspiegel.
Es existiert daher keine Liste erlaubter oder verbotener Symbole.
Anna Rubinowicz-Gründler, Pressereferentin der Bundestagsverwaltung
„Nicht gestattet ist daher während einer Plenarsitzung das Tragen bestimmter Kleidungsstücke oder Accessoires, wenn damit eine politische Demonstration oder Uniformierung verbunden ist.“
Ob ein solches „unparlamentarisches Verhalten“ geahndet werde, sei „eine Ermessensentscheidung“, welche die Bundestagspräsidentin oder einer ihrer Stellvertreter „unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände im konkreten Einzelfall trifft“, so Rubinowicz-Gründler. „Es existiert daher keine Liste erlaubter oder verbotener Symbole.“
Nietzard drohen Konsequenzen
Welche Konsequenzen das Tragen eines unerlaubten Kleidungsstücks nach sich zieht, werde ebenfalls im Einzelfall entschieden. Neben Ordnungsrufen und dem Ausschluss von der Sitzung seien auch mildere Maßnahmen wie eine Rüge denkbar.
Der Grüne-Jugend-Chefin Nietzard droht laut Bundestagsverwaltung eine Geldstrafe von bis zu 5000 Euro, sollte sie ihren umstrittenen Hoodie im Bundestag tragen.
Sie verweist auf einen Paragraphen zu Ordnungswidrigkeiten, der Verstöße gegen die Hausordnung von Gesetzgebungsorganen wie dem Bundestag regelt. Auch ein Entzug des Hausausweises sei möglich.
Braucht es eine Kleiderordnung?
Ist eine solche Debatte angesichts der vielen drängenden Themen wirklich vorrangig? Dass die Kleiderordnung ihren Sinn hat, darin sind sich zumindest die Parlamentarischen Geschäftsführer der Regierungsfraktionen einig. Als sogenannte „Manager des Parlaments“ entscheiden sie gemeinsam mit ihren Kollegen aus der Opposition über die Abläufe und Formalitäten im Parlament.
Mit der Kleiderordnung solle die Würde des Hauses bewahrt werden, sagte etwa Dirk Wiese, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, dem Tagesspiegel. „Das schließt meines Erachtens eine Baskenmütze ebenso aus wie Flip-Flops oder Bikini-Oberteile.“
Der Bundestag sei „kein Freizeitcamp für Selbstdarsteller, sondern der Ort der demokratischen Repräsentanz der Bürgerinnen und Bürger. Entsprechend sollte auch die Kleidung Respekt vermitteln“, so Wiese. Nietzards Oberteil wiederum sei „kein salopper Fauxpas“, sondern „absolut inakzeptabel“.
Union stellt sich hinter Klöckner
Steffen Bilger, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, unterstützt die Parlamentspräsidentin. „Wer mit ‚ACAB‘-Aufschrift in der Öffentlichkeit auftritt, bringt nicht nur Missachtung gegenüber unserer Polizei zum Ausdruck, sondern stellt sich auch demonstrativ gegen die Grundpfeiler unseres demokratischen Rechtsstaats.“
Daher habe CDU-Bundestagspräsidentin Klöckner „völlig zu Recht klare Worte gefunden und auf mögliche Konsequenzen hingewiesen“.
Grüne geben sich schmallippig
Bei den Grünen äußert man sich sehr zurückhaltend. „Die Verhaltensregeln tragen den besonderen Erfordernissen des Deutschen Bundestages Rechnung. Daher achtet die Bundestagspräsidentin auf Grundlage dieser Regeln auf deren Einhaltung“, erklärt die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, auf Anfrage. Zur Causa Nietzard verliert sie kein Wort.
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