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Nahe Neapel bebt die Erde: Europas Supervulkan brodelt
Die Phlegräischen Felder bei Neapel liegen über einem eingestürzten Vulkankrater. Am Montag ereignete sich das stärkste Erdbeben seit 40 Jahren
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Dass im Gebiet rund um die Hafenstadt Pozzuoli bei Neapel immer mal wieder die Erde bebt, daran haben sich die Einheimischen gewöhnt. Seit der Supervulkan unter den Phlegräischen Feldern wieder zu rumoren begonnen hat, haben sich in dem Gebiet schon Tausende kleinere Erdbeben ereignet.
Der Erdstoß vom späten Montagabend war aber anders: Mit einer Stärke von 4,4 auf der Richterskala handelte es sich um das stärkste Erdbeben seit 40 Jahren. Unzählige Häuser bekamen Risse, Teller und Gläser fielen aus den Regalen, es kam zu kleineren Erdrutschen.
In Pozzuoli mussten 35 Familien aus ihren einsturzgefährdeten Häusern evakuiert und ein Gefängnis werden. Innerhalb von nur vier Stunden bebte am Pfingstmontag die Erde in dem Gebiet etwa 150 Mal. In der Nacht auf gestern kam es zu weiteren Beben.
Der heftige Erdstoss hat auch in einigen Vierteln im nur 10 Kilometer entfernten Neapel Panik ausgelöst. Tausende Menschen rannten auf die Straßen und verbrachten die Nacht im Freien oder in ihren Fahrzeugen. Die Verunsicherung unter der Bevölkerung ist groß: „Sie sagen uns nicht, was los ist“, sagte eine Anwohnerin von Pozzuoli dem staatlichen Fernsehen RAI.
In Pozzuoli haben die Behörden kleine Zeltlager eingerichtet, die Schulen blieben am Dienstag geschlossen. Es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme, betonte Bürgermeister Luigi Manzoni. Man müsse kontrollieren, ob die Gebäude noch sicher seien. Er forderte die Bürgerinnen und Bürger auf, Ruhe zu bewahren. Das ist leicht gesagt. Neben dem Schreck über das ungewöhnlich heftige Erdbeben treibt die Bevölkerung die Angst vor dem Supervulkan unter ihren Füßen um.
Bei den Phlegräischen Feldern handelt es sich geologisch gesehen um einen riesigen eingestürzten Vulkankrater, eine Caldera. Ihr Durchmesser beträgt rund 150 Kilometer; sie reicht damit auch weit ins Meer hinaus. Das Epizentrum des Bebens vom Pfingstmontag lag knapp drei Kilometer unter Pozzuoli. Der Boden über dem Supervulkan hebt sich langsam an. Die dabei entstehenden enormen Spannungen in der Erdkruste entladen sich in Erdstößen.
In den letzten Monaten hat sich die Bewegung beschleunigt. Zuletzt hatte sich der Boden in nur 15 Tagen um 20 Millimeter gehoben. Über die Ursache sind sich die Experten des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) nicht einig. Während viele von ihnen die Entwicklung als Folge von aufsteigenden Gasen und Wasserdampf interpretieren, glauben einige, dass auch Magma aus der großen, rund acht Kilometer unter der Oberfläche liegenden Kammer in kleinere Kammern in etwa vier Kilometer Tiefe aufgestiegen sein könnte. Dies wäre beunruhigend. Ein großer Ausbruch des Supervulkans hätte nicht nur für die 500.000 Einwohner der Phlegräischen Felder verheerende Auswirkungen. Er könnte das gesamte Weltklima verändern.
Experten versuchen zu beruhigen
INGV-Chef Carlo Doglioni hatte bei einer Anhörung im Parlament in Rom noch vor wenigen Tagen versucht, Entwarnung zu geben. Die Phlegräischen Felder seien der am intensivsten überwachte Vulkan der Welt. Die Anhebung, die derzeit monatlich 20 bis 30 Millimeter betrage, liege deutlich unter jener der letzten Erdbeben-Krise Anfang der Achtzigerjahre. Damals habe sich der Boden monatlich um bis zu 90 Millimeter gehoben.
Auch die übrigen Parameter wie Bodentemperatur und die Menge der austretenden vulkanischen Gase seien derzeit „unauffällig“. Im Oktober 1983 waren etwa 20.000 Bewohnerinnen und Bewohner von Pozzuoli wegen eines möglichen Ausbruchs des Supervulkans evakuiert worden. Viele von ihnen kehrten nicht mehr in ihre Stadt zurück.
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