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Joachim Nagel bei der Bilanzpressekonferenz der Deutschen Bundesbank Ende Februar: Der Notenbank-Präsident fordert schon lange eine Reform der Schuldenbremse.

© imago/Hannelore Förster/IMAGO/Hannelore Foerster

220 Milliarden Euro mehr Spielraum: Bundesbank schlägt Aufweichung der Schuldenbremse vor

In den Sondierungen von Union und SPD ist bisher vor allem die Rede von zwei milliardenschweren Sondervermögen. Die Bundesbank bringt nun eine Reform der Schuldenbremse ins Spiel.

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In Berlin verhandeln die Sondierungsteams von Union und SPD offenbar über Sondervermögen in Milliardenhöhe. In Frankfurt am Main gehen Überlegungen tiefer. Statt zeitlich befristeter Lösungen sprechen sich Notenbanker für eine grundlegende und dauerhafte Anpassung der Schuldenregeln aus.

Die Bundesbank hat eine Reform der Schuldenbremse ins Spiel gebracht, die bis 2030 gut 220 Milliarden Euro an zusätzlichen Krediten ermöglichen soll. Wie „Table Media“ und „Süddeutsche Zeitung“ am Dienstag unter Berufung auf einen Beschlussentwurf des Notenbankvorstands berichten, soll der Kreditspielraum des Bundes dafür von 0,35 Prozent auf 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöht werden. Voraussetzung dafür sei, dass die Schuldenquote Deutschlands unter 60 Prozent liegt.

Laut der Herbstprognose der EU-Kommission vom November wird die Staatsverschuldung Deutschlands in diesem Jahr bei 63,2 Prozent liegen. Kommendes Jahr soll sie auf 62,8 Prozent sinken. Zum Vergleich: 2021 lag die Schuldenquote infolge der Corona-Pandemie noch bei 69 Prozent.

Bundesbank will vor allem mehr Investitionen

Bisher gilt die im deutschen Grundgesetz verankerte Schuldenbremse unabhängig vom Schuldenstand: Demnach darf die strukturelle Nettokreditaufnahme des Bundes nicht mehr als 0,35 Prozent des BIP betragen. Die jüngst reformierten europäischen Fiskalregeln geben hingegen keine harte Grenze vor. Sie berücksichtigen unter anderem die wirtschaftliche Lage eines Landes sowie die Art der Ausgabe. Die Reformvorschläge der Bundesbank kann man als eine Brücke zwischen den bisher in Deutschland und der EU geltenden Regeln lesen.

Schon andere Ökonomen, etwa Nils Redeker, stellvertretender Direktor des Jacques Delors Centre der Hertie School und Lucas Guttenberg, Senior Advisor bei der Bertelsmann-Stiftung, hatten zuletzt darauf aufmerksam gemacht, dass die europäischen Fiskalregeln Spielraum für eine Anpassung der Schuldenbremse ermöglichen.

Die Zentralbank zielt auf einen „stabilitätsorientierten Weg für höhere staatliche Investitionen“ ab, wie es im Beschlussentwurf heißt. Das heißt: Der Staat soll mehr ausgeben dürfen, aber nicht für Soziales oder Rente. Demnach sollen 0,9 Prozent des BIP ausschließlich für Investitionen genutzt werden dürfen, etwa zur Finanzierung in das Schienennetz oder das Militär. 0,5 Prozent sollen „nicht zweckgebunden“ sein. Zeitgleich sollen Staatsfinanzen weiter im Einklang mit den europäischen Regeln abgesichert werden.

Überschreitet die Schuldenquote die 60-Prozent-Marke, sollen immerhin Schulden im Wert von 0,9 Prozent des BIP aufgenommen werden dürfen, allerdings nur für Investitionen. In diesem Fall hätte der Staat bis 2030 trotzdem noch rund 100 Milliarden Euro zusätzlichen Spielraum für Kredite. 

Notenbank für Reform statt Sondervermögen

Über den Entwurf will der Vorstand der Bundesbank laut der „Süddeutschen Zeitung“ am Dienstag beraten. Das ausführliche Konzept stellt die Bundesbank im neuen Monatsbericht vor. Dabei handelt sich um eine Weiterentwicklung von bereits im Jahr 2022 vorgelegten Vorschlägen.

In den laufenden Sondierungen dürften die neuerlichen Forderungen der Bundesbank – ihr Präsident Joachim Nagel wirbt seit langem für eine Reform – eine Rolle spielen. Union und SPD verhandeln seit Freitag über Wege, mehr Mittel für Sicherheit und Infrastruktur zu mobilisieren. Im Gespräch ist sowohl eine Aufstockung des Sondervermögens für die Bundeswehr sowie die Schaffung eines neuen Sondervermögens für die Straßen, Brücken und Schienen – jeweils in dreistelliger Milliardenhöhe. Nach Schätzungen von vier Ökonomen liegt der Bedarf bei bis zu 900 Milliarden Euro.

Die Bundesbank spricht sich aufgrund der besseren Planbarkeit für eine grundsätzliche Reform der Schuldenregeln statt Sondervermögen aus. Die meisten Fachleute gehen allerdings nicht davon aus, dass es noch vor der Konstituierung des 21. Bundestages am 25. März zu einer Reform kommen könnte. In dem Fall würde CDU-Chef Friedrich Merz ein zentrales Wahlkampfversprechen der Union brechen. Demnach müsse man zunächst Ausgaben kürzen und für mehr Wachstum sorgen, bevor finanzpolitische Reformen angegangen werden. (mit AFP)

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