
© IMAGO//Florian Gaertner
Friedrich Merz muss sich bewegen: Die Schuldenbremse lähmt Deutschland
Der alte Bundestag beschließt ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr. Diese Option erwägt CDU-Chef Friedrich Merz. Das wäre nur eine Notlösung. Deutschland braucht eine größere Reform.

Stand:
Die Initiative von Friedrich Merz ist eine Zumutung für die Bürger. Der CDU-Chef und künftige Kanzler überlegt, den Wählerwillen vorerst zu ignorieren. Er will den alten Bundestag womöglich noch ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr beschließen lassen – zusammen mit der SPD und den Grünen.
Einen Nutzer in den sozialen Medien erinnerte das an Bertolt Brecht. Weil Merz unzufrieden mit dem Volk ist, wählt er sich ein anderes – jenes, das 2021 den Bundestag gewählt hat.
Diesen Spott hat Merz verdient. Dennoch ist sein Vorstoß richtig. Im Idealfall kommt es nicht dazu, aber die Union musste diese Option jetzt auf den Tisch legen.
Merz fehlte die Weitsicht
Angesichts der Bedrohung durch Russland und Donald Trumps Absage an das transatlantische Bündnis muss Deutschland seine Rüstungsausgaben massiv erhöhen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hält mindestens jährliche Ausgaben von 100 Milliarden Euro für nötig. Er sagt zu Recht, dass sich diese Summe nicht allein aus dem regulären Haushalt heraus finanzieren lässt.
Deshalb ist entweder eine Reform der Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen nötig. Ansonsten ergibt sich Deutschland grundsolide mit einer Staatsverschuldung von 60 Prozent der russischen Aggression. Doch für eine solche Verfassungsänderung gibt es im neuen Bundestag womöglich keine Mehrheit, AfD und Linke könnten sie blockieren.
Das darf Merz nicht zulassen. Dass er sich nun in dieser Zwickmühle befindet, sagt allerdings viel aus über seine mangelnde strategische Weitsicht. Denn vor genau diesem Szenario haben nicht wenige Juristen und Politikwissenschaftler gewarnt.
Schon vor Beginn seiner Kanzlerschaft sollte Friedrich Merz deshalb mit diesem konservativen Dogma gründlich brechen.
Caspar Schwietering
Als SPD und Grüne Merz vor der Wahl anboten, die Schuldenbremse im begrenzten Umfang zu reformieren, um mehr Verteidigungsausgaben zu ermöglichen, lehnte der Fraktionschef der Union ab. Er wollte diesen Erfolg Rot-Grün vor der Wahl nicht zugestehen. Das war wenig staatstragend.
Nun müssen SPD und Grüne, die allen Grund haben, nachtragend zu sein, zeigen, dass sie es besser können. Sie sollten mit der Union rasche Gespräche aufnehmen und dabei auch harte Bedingungen stellen. Denn klar ist auch, mit mehr Rüstungsausgaben allein ist es nicht getan. Deutlich mehr Geld braucht es auch für marode Autobahnbrücken und die Bahn, für kaputte Schulen und den Wohnungsbau.
Am besten eine Lösung mit der Linken
Die Schuldenbremse ist in ihrer jetzigen Form völlig aus der Zeit gefallen. Sie ist zu einer Investitionsbremse geworden, die das Land lähmt. Das beste Szenario lautet deshalb: Union, SPD, Grüne und die Linke einigen sich auf eine umfassende Reform der Schuldenbremse, die Investitionen in die Infrastruktur und die Verteidigung ermöglicht.
Sollte die Linke das nicht mittragen wollen, müssen die Parteien der demokratischen Mitte wohl oder übel für mehr Rüstung den Trick über ein noch vom alten Bundestag beschlossenes Sondervermögen gehen. Zugleich sollten SPD und Grüne diesem nur zustimmen, wenn Merz auch einen Weg für mehr Investitionen an anderer Stelle fest zusagt.
Denkbar wäre etwa ein Investitionsfonds – also ein weiteres Sondervermögen – für die Bahn, für die Autobahn GmbH und die Wasserstraßen. Hierzu liegen im Verkehrs- und im Finanzministerium schon Konzepte vor. Sie könnten den Parteien nun als Blaupause dienen – um zumindest Eckpunkte zu vereinbaren.
Die Bahn zeigt besonders deutlich, dass das alte Haushaltsregime nicht mehr zeitgemäß ist. Bei ihr hat sich ein Sanierungsstau von über 90 Milliarden Euro angehäuft. Die CSU-Verkehrsminister Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer haben viel zu wenig dagegen getan.
Ihr liberaler Nachfolger Volker Wissing hat den Kampf gegen den Verfall aufgenommen. Wegen der Schuldenbremse musste er allerdings vor allem auf einen Notbehelf setzen. Er gab der Bahn viele Milliarden zusätzliches Eigenkapital.
Das führte zu einer unerwünschten Nebenwirkung. Wegen komplizierter Finanzierungsregeln musste die Bahn deshalb ihre Schienenmaut kräftig erhöhen. Besonders im Güterverkehr würgt das die eigentlich notwendige Verkehrswende ab.
Ein solches Herumgewürge wegen der Schuldenbremse wie in diesem Beispiel darf sich Deutschland nicht mehr länger leisten. Schon vor Beginn seiner Kanzlerschaft sollte Friedrich Merz deshalb mit diesem konservativen Dogma gründlich brechen.
Damit würde er nebenbei auch zeigen, dass er trotz zweifelhafter Anfragen zu NGOs das Wohl des Landes im Blick hat – und Kanzler aller Deutschen werden will.
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