zum Hauptinhalt
Wer kommt rein? Die Bundestagsverwaltung gibt jedes Jahr mehrere tausend Hausausweise aus.

© AFP

Interessen und ihre Vertreter: Abgeordnete wollen weniger Lobbyisten im Bundestag

Nach einer erfolgreichen Tagesspiegel-Informationsklage will das Parlament den Zutritt für Firmenvertreter neu regeln - wie, bleibt vorerst geheim.

Mehrere tausend Hausausweise gibt die Bundestagsverwaltung derzeit für das neue Kalenderjahr aus. Blaue für Fraktionsmitarbeiter, gelbe für die Leute aus den Ministerien, orange für Lieferanten, rote für Journalisten. Nur bei den grünen fehlen noch viele. Grün, das sind die Interessenvertreter von Firmen und Verbänden, die Lobbyisten. Ausnahmsweise bleiben ihre Karten trotz Ablaufdatums gültig. Der Grund sind Beschlüsse der Berliner Justiz, wonach das bisher praktizierte Geheimverfahren bei der Ausweisvergabe künftig ans Licht gehört.

Nach einer Eilklage des Tagesspiegels hatte der Bundestag Ende November erstmals veröffentlicht, welche Lobbyisten Dauertickets für den Zugang zu den Liegenschaften erhalten – und damit leichter Kontakt mit den Abgeordneten. Nun soll es nicht nur mehr Öffentlichkeit, es soll gleich ein neues Verfahren geben. Bis es soweit ist, erklärt die Bundestagsverwaltung, dürfen die mehr als 2000 Lobbyisten mit den alten Ausweisen hinein.

Den Abgeordneten der Koalition ist das Thema so unangenehm wie der Parlamentsverwaltung. Eine öffentliche Debatte wünscht die Opposition, sonst niemand. Mitte Dezember trafen sich die für Sicherheitsfragen zuständigen Parlamentarischen Geschäftsführer und einigten sich darauf, dass es neue Regeln geben soll. Die SPD möchte dies als eine Reaktion auf die Terroranschläge in Paris verkaufen; Ziel sei, heißt es aus der Fraktion, "die Zahl der Hausausweise deutlich zu reduzieren", ein "einheitliches und transparentes" Verfahren soll her. Die Unionsfraktion teilt mit, künftig sollten alle Zutrittsberechtigungen direkt bei der Bundestagsverwaltung beantragt werden können, "der Schritt über die Sicherheitsbeauftragten der Fraktionen soll künftig also nicht mehr erforderlich sein".

Die Hälfte der Lobbyisten-Ausweise vergab der Bundestag bisher an Organisationen, die in der offiziellen Verbändeliste aufgeführt sind. Die andere Hälfte ging auf Wunsch der Parlamentarischen Geschäftsführer an Vertreter von Firmen, Parteien und parteinahen Stiftungen. Im Ergebnis werden die Berechtigten wohl dieselben bleiben, nur bekommen sie nicht mehr wie bisher drei, fünf, zehn oder sogar mehr Ausweise. Zudem ist es ein Anliegen der Fraktionen, von der Vergabe abgekoppelt zu werden. Die Bundestagsverwaltung soll dies allein übernehmen. Aus Parlamentskreisen heißt es, denkbar sei eine Lösung mit einer Art "Unternehmensregister", in das sich interessierte Firmen eintragen lassen können. Ein "Lobbyregister light" wäre das, meint Grünen-Geschäftsführerin Britta Haßelmann. Die Grünen wollen stattdessen ein Register, das die einzelnen Akteure mit Tätigkeitsfeldern aufführt, einschließlich Hintergründe der Finanzierung.

Dass es dazu kommt, gilt als ausgeschlossen. SPD und Union geht das zu weit. Auch die SPD gibt sich erst transparenzfreundlich, seitdem die Gerichte mahnend den Zeigefinger gehoben haben. Die Bundestagsverwaltung schließlich mauert ganz. Zu Plänen und Ideen gibt es keine Auskünfte. Angeblich sollen Ende des Monats erste Ergebnisse vorliegen.

Dass der Traum von grundlegend reformierten Transparenzregeln nicht zerplatzt, hoffen auf jeden Fall noch einige Lobbyisten selbst und mahnen eine Zäsur der Regelungen an. Die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung (Degepol) etwa begrüßte die geplante Neuregelung der Vergabe von Hausausweisen grundsätzlich, und ihr Vorsitzender, Dominik Meier, stellte auch gleich einen Kriterienkatalog auf. "Das Ziel sollte sein, die bisherige Verbändeliste so zu verändern, dass nicht lediglich ein Hausausweisregister entsteht. Vielmehr brauchen wir eine für alle Interessenvertreter verbindliche Registrierungssystematik", ließ Meier wissen. Die Degepol sieht nun den Moment gekommen, endlich einen Schritt hin zu einem verpflichtenden Lobbyregister zu tun. Am besten verbunden mit einem Interessenbeauftragten im Bundestag, den Meier seit Längerem fordert, und einem Verhaltenskodex für jeden, der künftig einen Hausausweis erhält.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 19. Januar 2016, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

Zur Startseite