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Generaldebatte im Bundestag: AfD-Chefin Weidel greift Merz scharf an – der Kanzler wirft ihr „üble Nachrede“ vor
Bisher heizte Merz in Generaldebatten als Oppositionsführer ein. Nun bekleidet er das Amt des Regierungschefs. Verfolgen Sie die Sitzung im Bundestag hier live.
Stand:
Als Höhepunkt der Haushaltsberatungen findet an diesem Mittwoch im Bundestag die Generaldebatte anlässlich der Aussprache über den Etat des Kanzleramts statt. Traditionell liefern sich dabei Regierung und Opposition einen Schlagabtausch.
Verfolgen Sie hier die Generaldebatte im Livestream:
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Eröffnet wurde die Debatte von der AfD-Fraktionschefin Alice Weidel als Chefin der größten Oppositionsfraktion. Weidel ging erwartungsgemäß hart mit dem Kanzler ins Gericht. Die von der schwarz-roten Koalition in Aussicht gestellte „Migrationswende“ finde nicht statt, die Grenzen an den deutschen Außengrenzen seien „mangelhaft“, über Familiennachzug würden nach wie vor Migranten in einer Zahl „einer Großstadt“ nach Deutschland einwandern.
Weidel sprach von „Masseneinwanderung von inkompatiblen Kulturen“, einer hohen Kriminalitätsrate unter Zugewanderten, was Deutschland zur „Hochrisikozone für eigene Menschen“ mache. „Gruppenvergewaltigungen und Messerangriffe“ seien Alltag, „die Islamisierung schreitet rasend und aggressiv voran.“ Das Bürgergeld sei vielmehr ein „Migrantengeld.“
Weidel: „Ihr Wort ist nichts wert“
Weidel unterstellte Merz zudem mehrfachen Wortbruch, etwa bei der in Aussicht gestellten Senkung der Stromsteuer für alle Bürgerinnen und Bürger, die nun ausbleibt. „Ihr Wort ist nichts wert. Selbst wenn es schwarz auf weiß in ihrem dürftigen Koalitionsvertrag steht.“ Deutschland sei ein Land „im Sinkflug“, Merz setze „die Ampel-Politik eins zu eins fort.“ Merz sei ein „Papierkanzler“, der auf internationaler Bühne „Weltmacht spielt“, sich im eigenen Land aber „von der SPD vorführen lässt.“

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Weidel ging auch auf die Verbotsdebatte rund um ihre Partei ein. Ihre Partei und mit dieser „zehn Millionen Wählerinnen und Wähler“ sollten beseitigt werden. „Mit dem Verbot konkurrierender Parteien beginnt jede Diktatur“, rief die AfD-Chefin.
Merz: Weidel verbreite „Halbwahrheiten“
Bundeskanzler Merz griff in seiner ersten Generaldebatte die Vorwürfe der AfD-Chefin und ihrer Fraktion auf. Weidel verbreite „Halbwahrheiten“, betreibe „üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen“, diese müssten auch „in einer Demokratie niemand unwidersprochen einfach hinnehmen.“
Merz ging gleich zu Beginn seiner Rede auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein, worauf ein Raunen aus der AfD-Fraktion zu vernehmen war. „Das ist eine interessante Reaktion von Ihnen“, attestierte Merz der AfD Russlandfreundlichkeit. „Wir werden der Ukraine weiter helfen, wir werden diese Unterstützung weiter fortsetzen“, versprach Merz.
Der Kanzler spielte auch auf Weidels Kritik an, er präsentiere sich auf internationalem Parkett als Machthaber, vernachlässige derweil die deutsche Innenpolitik. „Wir brauchen Partner auf der Welt, auch dazu kein Wort von Ihnen“, sagte er an die Adresse Weidels. „Das ist eine rein nationalistische Rede gewesen, die Sie hier gehalten haben.“ Die Bundesregierung werde „international wieder ernst genommen“, Deutschland übernehme dabei „Führungsverantwortung.“
Er hob die Bedeutung der Grundgesetzänderung durch den Bundestag hervor, der es der Bundesregierung erlaube, durch Schulden und Sondervermögen unter anderem „die Verteidigungsfähigkeit wieder herzustellen.“ Wäre dies nicht geschehen, „wäre die Nato auseinandergebrochen“, sagte Merz weiter.
Merz will an Grenzkontrollen festhalten
Auch dank der Grundgesetzänderung sei es möglich, dass die schwarz-rote Regierung eine „Wende in der Wirtschaftspolitik“ habe einleiten können. „Die Stimmung unter Unternehmen in Deutschland wird stetig besser“, verwies er auch auf optimistischere Konjunkturprognosen für Wirtschaftsinstitute. Er versprach eine Senkung der Energiekosten, sowohl für Private als auch für Unternehmen, den Abbau von Bürokratie und eine Lösung im Zollstreit mit den USA in Kürze.
Merz betonte, an den Kontrollen an den deutschen Außengrenzen würde die Regierung „bis auf Weiteres festhalten“, die Maßnahme sei aber „eine Übergangsregel“, Deutschland bemühe sich um „gemeinsame europäische Regeln.“ „Wir wollen offene Grenzen in Deutschland und in Europa erhalten.“ Merz bedankte sich ausdrücklich beim Koalitionspartner SPD, die diverse Verschärfungen in der Migrationspolitik mitgetragen habe. „Ich weiß, dass das Ihnen nicht leicht gefallen ist.“
Grüne kritisieren Merz’ Steuersenkungen
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge unterstellte dem Bundeskanzler und seiner schwarz-roten Regierung, mit Steuersenkungen vor allem Gutverdienende zu entlasten. Sie verwies auf eine Studie, wonach 69 Prozent der Steuersenkungen „ausschließlich an Menschen gehen, die mehr als 180.000 Euro im Jahr verdienen“, so Dörge weiter, die in Richtung Merz anmerkte: „Ist das Ihre Vorstellung von Gerechtigkeit?“.
Schelte gab es auch für den früheren Koalitionspartner, die SPD – allen voran für SPD-Finanzminister Lars Klingbeil. Schwarz-Rot kürze die Ausgaben für Kinder und Jugendliche, für Menschen mit Behinderung, für die humanitäre Hilfe und die Entwicklungszusammenarbeit. „Ich dachte, du nimmst das Finanzministerium, weil du nicht die Politik von Christian Lindern fortsetzen willst“, stichelte sie in Richtung Klingbeil.
Emotional wurde Dröge beim Thema Klimaschutz, bisweilen überschlug sich ihre Stimme beinahe. Dröge kritisiere einen „unfassbaren Rückschritt im Klimaschutz“, immer wieder griff sie dabei direkt auch den Koalitionspartner der Union, die SPD, an, die diese Politik mittrage. Die Bundesregierung subventioniere fossiles Gas aus dem Klima- und Transformationsfonds, plane neue Gasförderungen vor Borkum, kürze Klimaverträge für die Industrie und wolle das Heizungsgesetz aufweichen.
Die Regierung wolle den Kohleausstieg verlängern, kürze die internationale Klimafinanzierung, plane im großen Umfang fossile Gaskraftwerke und rede gleichzeitig darüber, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu verlangsamen. Droge sprach von einer „klimapolitischen Bankrotterklärung.“ Auch die Restriktionen in der Migrationspolitik geißelte Dröge. Merz sei ein Kanzler, der „nicht Politik für alle Menschen in diesem Land machen möchte.“
Das erinnert mich an alte Zeiten, wo es um Rassenlehre ging.
Matthias Miersch, SPD-Fraktionschef, an die Adresse von AfD-Chefin Alice Weidel
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch hat sichin seiner Rede für ein AfD-Verbotsverfahren ausgesprochen. Der AfD-Fraktionschefin Alice Weidel warf Miersch nach deren Rede in der Generaldebatte im Bundestag Rassismus vor: „Wie kann man so eiseskalt, so hasserfüllt als Mensch eine solche Rede halten, wie Sie das eben getan haben? Sie haben von ‘der Transformation des Staatsvolkes’ gesprochen. Das erinnert mich an alte Zeiten, wo es um Rassenlehre ging.“
Miersch begründete die Forderung nach einem AfD-Verbot unter anderem damit, dass Reden wie die von Weidel ein Schlag ins Gesicht für alle seien, die Migrationshintergrund hätten und „tagtäglich unser Land bereichern“.
In weiten Teilen seiner Rede verwahrte sich Miersch gegen Vorwürfe von Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. So seien die geplanten Milliardeninvestitionen auch Investitionen in Klimaschutz, sagte Miersch. Dennoch müsse gespart werden. Doch im eigentlichen Haushalt gebe es leider weiter „ein Riesenproblem“, so der SPD-Fraktionschef. „Und deshalb müssen wir auch Diskussionen übers Sparen führen.“
Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vorgeworfen, Politik für Reiche zu machen, auf Bedürftige aber zugleich „einzutreten“. „Sie kehren den Menschen in diesem Land den Rücken zu und machen Politik gegen deren Interessen“, sagte Reichinnek. Sie wandte sich auch erneut gegen die massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
Diese sei auch finanziell „ein Spiel mit dem Feuer“, warnte Reichinnek. Um „die massive Aufrüstung und die Steuergeschenke für Superreiche“ zu finanzieren, spare die Regierung im sozialen Bereich „an allen Ecken und Enden“, sagte die Linken-Politikerin. Sie bezog sich damit auf Kürzungen bei Bürger- und Elterngeld, Kitas und Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen. „Gegen ihre Politik der sozialen Kälte stellen wir unsere Solidarität“, sagte sie.
Reichinnek wies darauf hin, dass 0,005 Prozent der Menschen in Deutschland ein Viertel des Vermögens besitzen würden. Das eigentlich Schlimme sei aber, dass die Koalition die Lücke bei der Vermögensverteilung gar nicht schließen wolle, sondern „sie reißen sie immer weiter auseinander“ und die SPD trage dies mit. „Ich kann nicht mal mehr wütend auf Euch sein, Ihr tut mir nur noch leid“, sagte Reichinnek an die Sozialdemokraten gerichtet.
Nach der Generaldebatte wird sich Merz erstmals als Bundeskanzler in einer Regierungsbefragung den Fragen der Abgeordneten stellen (13 Uhr). Dafür sind 70 Minuten vorgesehen.
Die schwarz-rote Regierung hatte am Dienstag ihren ersten Haushaltsentwurf ins Parlament eingebracht. Er sieht für 2025 und in den Folgejahren massive Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung, aber auch eine Rekordverschuldung vor.
Diskutiert werden am Mittwochnachmittag im Bundestag auch die Etats für das Auswärtige Amt (14.10 Uhr), für Verteidigung (15.55 Uhr) und Entwicklung (17.40 Uhr). Die erste Lesung des Haushalts endet am Freitag, er soll nach der Sommerpause im September beschlossen werden. (dpa, AFP)
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