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Erinnerungslücken: Kanzler Olaf Scholz holt die Warburg-Affäre ein.

© dpa/Britta Peddersen

Affäre um Hamburger Warburg-Bank: E-Mails von Olaf Scholz durchsucht – Kanzler nicht informiert

Im Cum-Ex-Skandal sichten Ermittler dienstliche Mails des früheren Ersten Bürgermeisters Hamburgs. Der Untersuchungsausschuss bekommt damit neues Material.

Das Ungewöhnliche - und für die SPD und Olaf Scholz so Brisante - am Hamburger Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal ist, dass parallel Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft laufen. So gibt es immer wieder durch deren Akten neue Erkenntnisse, die den Ausschussmitgliedern übermittelt werden.

So auch der nun publik gewordene Fund von 214.800 Euro in bar in einem Schließfach des Hamburger SPD-Politikers Johannes Kahrs - er gilt als eine politische Schlüsselfigur in der komplexen Affäre, gegen ihn wird wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt. Zur Herkunft des Geldes schweigt er bisher. Der Besitz des Geldes an sich ist nicht illegal, es wurde auch nicht sichergestellt.

Und nun ist zusätzlich durch einen Bericht des „Hamburger Abendblatts“ bekannt geworden, dass auch die dienstlichen E-Mails und Kalendereinträge von Scholz durchsucht worden sind. Im Jahr 2016, dem Schlüsseljahr der Affäre um Cum-Ex-Betrügereien der Warburg Privatbank, war er Erster Bürgermeister der Hansestadt.

„Der Bundeskanzler hat am Montag durch eine Presse-Anfrage erstmals von dem Beschluss des Amtsgerichts hinsichtlich der Durchsuchung des amtlichen E-Mail-Kontos erfahren“, teilte dazu eine Regierungssprecherin dem Tagesspiegel mit.

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Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, der aber auch zeigt, dass für Scholz die alte Affäre um Millionenbetrügereien der Hamburger Warburg-Bank und zunächst nicht erfolgte Steuerrückforderungen des Hamburger Senats und der Finanzverwaltung längst nicht ausgestanden ist. Zum Bargeldfund bei Kahrs ließ Scholz mitteilen, er habe nicht davon gewusst, dass Kahrs eine solche Geldsumme in einem Schließfach aufbewahrt hat.

Erst ein Gericht bracht dem Staat die Warburg-Millionen zurück

Scholz muss zum zweiten Mal am 19. August dem U-Ausschuss Rede und Antwort stehen. In der Kritik steht Scholz vor allem, weil er angibt, sich nicht erinnern zu können an den Inhalt seiner Gespräche mit den Warburg-Bankern und Kahrs - aber er bestreitet jede politische Einflussnahme auf eine zunächst nicht erfolgte Steuerrückforderung. Am Ende erwirkte letztlich ein Gericht in Bonn 2020, dass die Warburg Bank 176,5 Millionen Euro zurückzahlen musste.

Bei Cum-Ex-Geschäften wurden Aktienpakete rund um den Dividenden-Stichtag mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttungsanspruch so hin- und hergeschoben, dass man sich Kapitalertragssteuern mehrfach erstatten lassen konnte, obwohl sie nur einmal gezahlt worden war. Es war de facto ein Betrug am Staat, zu Lasten der Gemeinheit.

Der Finanzexperte Fabio de Masi (Linke) bringt die Cum-ex-Deals so auf den Punkt. "Es ist wie eine Pfandflasche im Supermarkt abzugeben, dann den Pfandbon zu kopieren und an der Supermarktkasse abzukassieren. Mit dem Unterschied, dass die Supermarktkasse der Staat ist und es um Milliarden geht."

Der Ablauf wirft immer noch viele Fragen auf

Ein Rückblick auf den Fall: Auf Vermittlung unter anderem von Kahrs trifft sich Scholz mit den Gesellschaftern der Bank, Christian Olearius und Max Warburg, etwa am 7. September 2016 und am 26. Oktober 2016. Es geht darum, ob man 47 Millionen Euro an Steuern zurückfordern soll, die illegal durch die Steuertricks erbeutet worden waren, bevor dieser Anspruch verjährt - so wie bereits zuvor dutzende Millionen für frühere Steuerjahre. Der Fall ist juristisch komplex.

Scholz wird beim zweiten Treffen ein Schreiben an die Finanzbehörden überreicht, in welchem die Banker das Handeln als rechtmäßig darstellen und betonen, dass die Bank bei einer Rückzahlung in ihrer Existenz bedroht sei.

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Am 9. November soll Scholz Olearius angerufen und gesagt haben, dieser möge das Schreiben ohne weitere Bemerkungen an Finanzsenator Peter Tschentscher schicken, der Scholz nach dessen Wechsel nach Berlin im Amt des Ersten Bürgermeisters nachfolgt. Wenige Tage später wird der Bank von der Finanzverwaltung mitgeteilt, dass die 47 Millionen Euro nicht zurückgefordert werden.

Im Folgejahr geht es um weitere 43 Millionen Euro, die erst nicht zurückgefordert werden sollen, dann aber ordnet das Bundesfinanzministerium per Weisung an.

Der Eingangstür des Bankhauses Warburg in Hamburg
Der Eingangstür des Bankhauses Warburg in Hamburg

© dpa/Axel Heimken

Die Ausschussmitglieder müssen viel neues Material sichten

Norbert Hackbusch kommt derzeit kaum noch hinterher mit dem Auswerten der neu eintreffenden Akten. Er ist Obmann der Linken im Hamburger Untersuchungssauschuss, der am Dienstag zum 35. Mal tagte.

CDU und Linke hatten die Sitzungen des Ausschusses in dieser und in der nächsten Woche aussetzen wollen, also auch die Scholz-Anhörung, um zunächst von der Staatsanwaltschaft Köln übermittelte Ermittlungsakten studieren zu können. Dies hatten SPD und Grüne jedoch abgelehnt.

Hackbusch verweist im Gespräch mit dem Tagesspiegel darauf, dass selbst die Betriebsprüfer bei Warburg gesagt hätten, das Geld müsse zurückgezahlt werden - und er verweist auf nun bekannt gewordene Chat-Nachrichten der zuständigen Finanzbeamtin, die nach dem Verzicht auf die Rückforderung Ende 2016 von einem „teuflischen Plan“ geschrieben habe, der aufgegangen sei.

Zweifel an „Erinnerungslücken“ des Kanzlers

Wo er die größte Gefahr für den heutigen Kanzler sieht? „Die Verbindung von Kahrs und Scholz war immer relativ eng. Auch wenn sie nicht unbedingt auf einer Wellenlinie sind“, sagt Hackbusch.

Vor allem aber gehe es um die Glaubwürdigkeit von Scholz, sagt Hackbusch: „Es ist nicht glaubwürdig, sich an nichts erinnern zu können. Durch diese neuen Informationen wird es alles prickelnder um ihn herum.“

Es gibt Andeutungen, dass es weitere, bisher nicht bekannte Treffen gegeben haben könnte. Scholz habe schon die bisher bekannten Treffen nur scheibchenweise zugegeben und sich an heikle Fragen nicht erinnern können. Das passe nicht zu Olaf Scholz, meint Hackbusch. Der Warburg-Banker Olearius habe Scholz schließlich gesagt, dass die Bank bei einer Rückzahlungsforderung der Finanzbehörde und des Finanzamtes Hamburg in die Insolvenz laufe. „Da kann mir kein Mensch erzählen, dass man sich an solche Termine nicht erinnert“, meint Hackbusch.

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