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Verlassen die Truppen der Nato Afghanistan bereits Ende des nächsten Jahres?

© dapd

Truppenabzug: Afghanistan schickt die Nato heim

Der afghanische Präsident Karsai fordert einen Abzug der internationalen Truppen schon bis 2013 statt 2014. Unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse um das Massaker eines US-Soldaten brechen die Taliban Gespräche mit den USA ab.

Von Michael Schmidt

Berlin - Der afghanische Präsident drückt aufs Tempo. Hamid Karsai will die Verantwortung für die Sicherheit in seinem Land von der Nato bereits ein Jahr früher übernehmen, als bisher geplant. „Beide Seiten müssen dabei zusammenarbeiten, den Übergabeprozess von den internationalen Truppen an die afghanischen Kräfte 2013 statt 2014 abzuschließen“, teilte Karsai nach einem Treffen mit US-Verteidigungsminister Leon Panetta am Donnerstag mit. „Wir sind bereit, alle Sicherheitsverantwortung für das Land zu übernehmen.“

Der überraschende Schritt erfolgte auch unter dem Eindruck einer Reihe von tödlichen Vorfällen in der jüngsten Zeit. So waren am Wochenende beim Massaker eines US-Soldaten 16 Zivilisten ums Leben gekommen. Der Soldat wurde inzwischen von den amerikanischen Streitkräften außer Landes geflogen. Afghanische Abgeordnete reagierten empört auf diesen Schritt und forderten ihre Regierung auf, eine geplante strategische Partnerschaftsvereinbarung mit Washington nur dann zu unterzeichnen, wenn der Verdächtige in Afghanistan vor Gericht gestellt werde. Karsai verlangte am Donnerstag als Konsequenz einen Rückzug aller ausländischen Soldaten aus den Dörfern in ihre Stützpunkte.

Die Ankündigung der afghanischen Regierung zeigt nach Auffassung des verteidigungspolitischen Sprechers der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour, wie groß „der innenpolitische Druck auf Präsident Hamid Karsai ist, auf Distanz zu den internationalen Truppen zu gehen“. Es sei damit zu rechnen, dass nun die Abzugsdebatte in den Truppenstellernationen erneut an Fahrt gewinnen werde.

Die Nato zeigte sich offen für einen beschleunigten Truppenrückzug. Die Nato stehe zu dem Ziel, die Übergabe der vollständigen Sicherheitsverantwortung an die Afghanen „so schnell wie praktisch möglich“ zu erreichen, sagte Bündnissprecherin Oana Lungescu am Donnerstag in Brüssel. Auf dem Nato-Gipfel Ende Maiwerde festgelegt, wie der Übergangsprozess „erfolgreich und verantwortungsvoll abgeschlossen werden kann“.

Politiker von FDP und SPD forderten Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) auf, ein konkretes Konzept für den Abzug vorzulegen. FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff sagte, sie erwarte zeitnah eine Antwort auf die Fragen: „Was haben wir an Material, Menschen und Fähigkeiten vor Ort, was muss davon zurückgeholt werden, welche Kräfte brauchen wir dafür und was soll zu welchem Zwecke im Land bleiben?“ SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold kritisierte die „zuwartende und lavierende“ Haltung des Ministers in dieser Frage. Er sehe die Gefahr, dass die Bundeswehr, statt in einem „organisierten, geplanten Prozess“ abzuziehen, konzeptlos Außenstellen schließe und kämpfende Soldaten abziehe, das große Feldlager aber ohne hinreichende Begründung erhalte.

Unterdessen setzten die Taliban ihre Gespräche mit der US-Regierung im Golfemirat Katar aus, weil sie sich als „Zeitverschwendung“ erwiesen hätten. Die USA und die Taliban hatten über einen Austausch von Gefangenen als vertrauensbildende Maßnahme für weitergehende Friedensgespräche verhandelt. Die Aufständischen betonten, dass sie anders als von Karsai dargestellt, nicht mit der afghanischen Regierung verhandeln.

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