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Der Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm sorgt seit Jahren für Streit zwischen Äthiopien, Ägypten und dem Sudan.

© Foto: picture alliance/dpa/Adwa Pictures Plc

Nach zehn Jahren Bauzeit: Afrikas größter Staudamm birgt Konfliktpotential

Äthiopien nimmt seinen neuen Nil-Staudamm in Betrieb. Die Nachbarstaaten fürchten um ihre Wasserversorgung.

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Zur Abwechslung konnte der Friedensnobelpreisträger mal wieder einen friedlichen Erfolg feiern. Den „Beginn einer neuen Ära“, verkündete Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed, bevor er eine Taste am Computer drückte. Auf diese Weise werden inzwischen selbst Mega-Bauvorhaben in Betrieb genommen – in diesem Fall das mit Abstand größte Staudammprojekt Afrikas.

Nach mehr als zehnjähriger Bauzeit warf Abiyes Zeigefinger die erste von 13 Turbinen des „Großen Äthiopischen Renaissance Damms“ an - und prompt leuchteten die Lichter auf, die bald den zweitbevölkerungsreichsten Staat des Kontinents erstrahlen lassen sollen. Bei voller Leistung werden die Turbinen bis zu 6500 Megawatt Elektrizität erzeugen - wesentlich mehr als das gesamte Land am Horn von Afrika bislang generiert.

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Zweidrittel der 110 Millionen Äthiopier sind noch immer nicht ans Stromnetz angeschlossen. „Wir tun das für unsere Mütter, die das Holz auf ihren Rücken zu den Dörfern schleppen müssen“, sagte Abiy. Spätestens in zwei Jahren soll der See hinter der 1,8 Kilometer langen und 145 Meter hohen Betontalsperre voll sein und das Kraftwerk seine Höchstleistung erreichen.

Ganz ohne dunkle Wolken verlief allerdings auch diese Feierstunde im Bürgerkriegsstaat nicht. Äthiopiens Nachbarn, der Sudan und vor allem Ägypten, kritisieren das Mammutprojekt schon seit Jahren. Sie sind für ihren Wasserbedarf fast ausschließlich auf den Nil angewiesen und fürchten, dass dieser durch den Staudamm austrocknet.

Alle Verhandlungen über eine Reglementierung des Wassers verliefen bisher im Sand: In Kairo wurde zeitweise sogar mit Krieg gedroht. „Wir wollen niemandem Schaden zufügen“, versuchte Premierminister Abiy während der Feierstunde zu schlichten: „Wir sind zur Kollaboration bereit.“

Experten sagen: Die Regulierung des Nils könne auch Vorteile bringen

Wie jeder selbst sehen könne, fließe das Wasser des Blauen Nils weiterhin, setzte Abiy noch flapsig hinzu: Natürlich glaubt auch in Kairo keiner, dass das Nil-Wasser von einem Tag auf den anderen abgestellt werden könnte. Unklar ist jedoch, wie sich Äthiopien in Zeiten der Dürre verhalten wird – wenn der Staudamm zur Stromgewinnung auf einem gewissen Stand gehalten werden muss, und die südlichen Anrainerstaaten auf das Wasser dringend angewiesen sind.

Bislang glaubte Ägypten ein Recht auf das Wasser zu haben: Die britische Kolonialmacht hatte Kairo vor fast hundert Jahren 75 Prozent des Blauen Nilwassers zuerkannt. Äthiopien wurde damals erst gar nicht gefragt. Der Blaue Nil mündet in Khartum, der Hauptstadt des Nachbarlandes Sudan, in den Weißen Nil. Der Strom heißt dann Nil.

Fachleute werfen heute allerdings ein, dass die Regulierung des Nils auch Vorteile bringen könne. Überschwemmungen, wie sie regelmäßig im Sudan vorkommen, könnten verhindert werden. Mit dem Assuan-Staudamm hätten die Ägypter außerdem die Chance, den Wasser-Zufluss in ihrem Land nach eigenen Bedürfnissen zu regeln. Und mit technologischen Errungenschaften wie Satellitenbildern lasse sich das Management des Nils verbessern, meint Hisham Eldaradiry von der Universität Washington. Allerdings müssen dazu die Anrainerstaaten zur Kooperation bereit sein.

Schon für den Bau des Staudamms hatte Äthiopien Berge versetzt. Da der bettelarme Schuldnerstaat nicht noch weitere Kredite aufnehmen wollte, wandte sich die Regierung sowohl an ihre Staatsbeamten wie an die Bevölkerung: Erstere mussten für den Damm auf einen Monatslohn verzichten, Letztere sollten direkt spenden oder Anleihen aufnehmen. So kamen schließlich die fast fünf Milliarden US-Dollar zusammen, die für den Bau des Mega-Staudamms nötig waren.

Johannes Dieterich

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