Politik: Aids-Hilfe in Russland vor dem Aus?
Moskau - In Russland ist in dieser Woche ein Gesetz zur Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Kraft getreten, das diese praktisch unter staatliche Kontrolle stellt. Gegen die Stiftung „Offenes Russland“, mit der Ex-Jukos- Chef Michail Chodorkowski Bildungsprogramme finanziert hatte, läuft bereits ein Verbotsverfahren.
Moskau - In Russland ist in dieser Woche ein Gesetz zur Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Kraft getreten, das diese praktisch unter staatliche Kontrolle stellt. Gegen die Stiftung „Offenes Russland“, mit der Ex-Jukos- Chef Michail Chodorkowski Bildungsprogramme finanziert hatte, läuft bereits ein Verbotsverfahren. Nun droht Ähnliches auch ausländischen Hilfsorganisationen, die sich hier bei der Bekämpfung der Immunschwächekrankheit Aids engagieren. Experten gehen von bis zu drei Millionen HIV-Infizierten in Russland aus.
Der Westen und russische Demokraten hatten das Gesetz, das Ende vergangenen Jahres von der Duma verabschiedet und von Präsident Putin im Januar unterzeichnet worden war, als undemokratisch kritisiert. Beanstandet wurden neben drastisch verschärften Zulassungskriterien bürokratische Auflagen, deren Erfüllung den Großteil von Mitteln und Arbeitszeit der NGOs bindet. Vor allem aber: Im neuen Text heißt es, die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen dürfe nicht im Widerspruch zu in Russland historisch gewachsenen Werten und Traditionen stehen. Ein Paragraf, mit dem das Moskauer Stadtparlament jetzt ausländischen Aids-Hilfswerken Platzverbot erteilen will.
Deren Programme, so Ljudmila Stebenkowa, die dem Gesundheitsausschuss in der Moskauer Stadt-Duma vorsteht, stünden „im Widerspruch zur öffentlichen Moral“ und würden die „junge Generation moralisch korrumpieren“. So jedenfalls zitiert die „Nesawissimaja Gaseta“ aus dem Aufruf an Putin, mit dem die Abgeordneten ein Verbot für einschlägige Hilfswerke fordern. Empört hatten sich die Moskauer Abgeordneten vor allem über Aufklärungsprogramme an Schulen, für die westliche Hilfswerke häufig den Sexualkundeunterricht nutzen. Die Propagierung von Kondomen und Einwegspritzen würde Drogensucht, Kinderprostitution und Pädophilie Vorschub leisten. So steht es wörtlich im Gutachten des Zentrums für gerichtsmedizinische Psychiatrie, das die Kreml-Partei „Einiges Russland“ der Petition an Putin beifügte. Die KP-Fraktion gar bezeichnete angesichts wachsender Vergreisung Kondome als „nationales Sicherheitsrisiko“. Stattdessen müsse ein russisches Anti-Aids-Programm her, das durch „aktive Propaganda von vaterländischen Verhaltensnormen und Wertvorstellungen“ unterstützt werden solle. Putin könnte schon am Freitag ein Machtwort sprechen. Dann tagt der so genannte Staatsrat – die Vollversammlung der russischen Provinzfürsten. Wichtigster Tagesordnungspunkt: Aids.