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Ein SPD-Chef und ein Kanzlerkandidat warten auf das Ergebnis der Bundestagswahl: Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel am 22. September 2013 im Willy-Brandt-Haus.

© Kay Nietfeld / dpa

Peer Steinbrück attackiert die eigene Partei: Alles Heulsusen in der SPD?

Der Ex-Finanzminister bescheinigt seiner Partei Realitätsverlust und meint, sie sei "manisch-depressiv". SPD-Politiker schlagen hart zurück.

Von Hans Monath

Ein paar Monate lang war es still um Peer Steinbrück, doch nun hat der Ex-Finanzminister wieder für Schlagzeilen gesorgt. Der SPD-Kanzlerkandidat des Jahres 2013 überzog seine Partei mit beißendem Spott und kritisierte seinen Kandidaten-Nachfolger Martin Schulz schonungslos. Die SPD-Führung reagierte verärgert auf die Hiebe, die ihre Partei zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt treffen: Nach drei verlorenen Landtagswahlen, Pannen des Wahlkampfteams und Zweifeln an der Führungsfähigkeit von Schulz ist die Stimmung ohnehin gedrückt. In jüngsten Umfragen sinkt die Partei weiter auf nun 25 Prozent.

Das 100-Prozent-Ergebnis für Schulz bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden sei „vergiftet“ gewesen, erklärte Steinbrück in der "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) und griff zu einem drastischen DDR-Vergleich: "Die Partei saß plötzlich auf Wolke sieben, es hat sich ein Realitätsverlust eingestellt, und das Publikum hat sich gewundert: Steht da jetzt Erich Schulz-Honecker?"

Zugleich deutete der Ex-Finanzminister an, die Bundestagswahl sei für die SPD schon so gut wie gelaufen. Auf die Frage, ob eine Auswechslung von Martin Schulz als Kanzlerkandidat nichts bringe, lobte er nicht etwa die Überzeugungskraft und den Siegeswillen des Mannes aus Würselen, sondern sagte nur salopp: "Gar nichts, man kann die Pferde nicht im Galopp wechseln." Außenminister Sigmar Gabriel stelle "jeden Tag eine Kerze ins Fenster, dass er nicht Kanzlerkandidat ist".

Im Vorfeld seiner Bühnentour mit dem Kabarettisten Florian Schroeder, die im Juli startet, hatte Steinbrück nicht nur der FAS, sondern auch der "Bild am Sonntag" ein Doppelinterview mit dem TV-Moderator gegeben. Zwar suchte der frühere Karrierepolitiker darin mit Lust die satirische Zuspitzung, die Gags und die flapsige Sprache minderten die Härte seiner Urteile aber keineswegs.

Fokus auf Gerechtigkeit sei nicht ausreichend

So riet er der eigenen Partei, auf den Leitbegriff Gerechtigkeit nicht zu verzichten, das Angebot im Wahlkampf aber deutlich auszuweiten: "Die Konzentration auf die Gerechtigkeit reicht nicht, es muss etwas dazukommen, das Fortschritt, Zukunftsoptionen verdeutlicht."

Auch zur Frage, ob die Linkspartei für die SPD im Bund ein Koalitionspartner sein könne, sagte Steinbrück: "Rot- Rot-Grün ist, jedenfalls im Westen, schlicht und einfach nicht akzeptabel, dem Wähler nicht vermittelbar." Allenfalls "in mittlerer Zukunft" könne sich das ändern.

Als interessanten Partner empfahl er die FDP. Deren Chef Christian Lindern habe "einen glänzenden Landtagswahlkampf" gemacht und sei "einer der ganz wenigen Politiker, die das Instrument der Selbstironie in der Politik entdeckt haben und pflegen, die sich ansonsten bierernst nimmt". Die SPD solle sich mehr zum Liberalen bekennen: Sie solle "über Schimpfkanonaden auf den Neoliberalimus nicht vergessen, dass die Liberalität oder das Liberale etwas sehr Wichtiges für unsere Gesellschaft ist".

Wie schon häufiger in seiner politischen Karriere lästerte Steinbrück lustvoll über die eigene Partei, die "manchmal manisch-depressiv" sei. In ihr würden viel zu oft "Heulsusen" den Ton vorgeben. Die Genossen seien "häufig zu verbiestert, wahnsinnig überzeugt von der eigenen Mission", meinte er: "Alles ist ganz wichtig nach dem Motto: Es geht nicht um Leben oder Tod, es geht um mehr als das!" Wer sich dieser Ernsthaftigkeit widersetze, dem drohe in der SPD ein "Revolutionstribunal".

Führende SPD-Politiker reagierten mit persönlichen Attacken auf die Hiebe. "Andere, selbst an ihrer Hybris gescheitert, geben via Kommentaren der Partei, der sie (noch) angehören, unerbetenen schlechten Rat. Kurios", twitterte Parteivize Ralf Stegner. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, griff Steinbrück auf dem gleichen Weg an: "Das ist mies. Charakterlich. Inhaltlich. Strategisch. Taktisch."

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