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Ampel streitet vor Spitzentreffen: „Die Flasche Schnaps vom Mund schlagen“
Bringt der Koalitionsausschuss den Durchbruch? Kanzler Olaf Scholz erwartet Fortschritte, doch andere Vertreter der Ampel machen sich gegenseitig Vorwürfe.
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Ungeachtet optimistischer Erwartungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an den Koalitionsausschuss vom Sonntag haben sich Vertreter der Ampel vor den Beratungen weiter gegenseitig in teils schriller Tonlage heftige Vorwürfe gemacht. FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer warf SPD und Grünen eine „ungezügelte Ausgabensucht“ vor und forderte mehr Ausgabendisziplin.
„Die ungezügelte Ausgabensucht von SPD und Grünen stoppen wir und helfen jetzt beim kalten Entzug“, sagte Meyer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Manchmal muss man dem Alkoholkranken die Flasche Schnaps vom Mund schlagen“, fügte der FDP-Haushaltspolitiker hinzu.
Scholz erwartet trotz heftigen öffentlichen Streits in der Koalition und gravierenden Differenzen in wichtigen Fragen Fortschritte. „Ich bin sehr zuversichtlich, was die weitere Modernisierung des Landes betrifft. Die Koalition hat sich Großes vorgenommen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Viele weitreichende Entscheidungen seien bereits getroffen worden.
„Deshalb bin auch zuversichtlich, dass wir jetzt einen kleinen Sprung nach vorne machen mit verschiedenen Aufgaben, die wir uns vorgenommen haben, aber immer mit dem inneren Verständnis: Wir hören da nicht auf, sondern wir machen weiter.“
Der Kanzler zeigte sich konkret auch zuversichtlich für die Debatte über die umstrittenen Gesetzespläne zum Heizungstausch. „Nach alldem, wie ich das sehe, kriegt meine gesprächsfreudige Regierung das hin und hat darüber schon die Grundlage eines Konsenses gefunden“, sagte der Kanzler in einem Bürgergespräch in seinem Bundestagswahlkreis in Potsdam. Er nannte aber keine Details.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann forderte wie zuvor schon andere Vertreterinnen und Vertreter der Ökopartei beim Klimaschutz mehr Engagement des Kanzlers. Es sei wichtig, „dass wir die Menschheitsaufgabe, die Klimakrise bekämpfen, in den Mittelpunkt stellen“, sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann dem SWR.
Mit Blick auf Warnungen vor einer Überforderung der Bürgerinnen und Bürger versicherte sie, alle Maßnahmen würden sozial abgefedert. Haßelmann bezog dies besonders auf die geplanten Neuregelungen für den Einbau neuer Heizungen.
Im Koalitionsausschuss der Ampel soll es am Sonntagabend unter anderem um die geplante Planungsbeschleunigung für Infrastrukturvorhaben sowie mehrere Vorlagen zum Klimaschutz und zur Energiepolitik gehen.
Weiter offen sind auch Entscheidungen zum Haushalt für 2024 und die Finanzplanung der folgenden Jahre, darunter zur Finanzierung der Bundeswehr und der geplanten Kindergrundsicherung.
Die Planungsbeschleunigung wollen die Grünen auf den Ausbau der Bahn sowie notwendige Sanierungen konzentrieren. Die FDP verlangt dagegen auch einen massiven Ausbau des Autobahnnetzes.

© Foto: dpa/Jens Kalaene
„Wenn wir beim Klimaschutz besser werden wollen, müssen wir beim Bau von Stromtrassen, von Windrädern, Stromspeichern und - aus Sicht der FDP - auch beim Bau von Autobahnen deutlich schneller werden“, sagte Fraktionsvize Lukas Köhler dem Portal „Zeit online“.
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) warf in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ den Grünen eine „Blockdadehaltung“ vor und forderte sie auf, diese zu beenden. Wissing sagte aber auch: „Wir sollten uns darauf zurückbesinnen, gemeinsam Lösungen zu finden.“
„Der Ausbau der Infrastruktur muss sich vor allem an Bedarfen orientieren. Und die gibt es bei der Straße eben auch“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dorothee Martin, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Sie plädierte aber für eine Priorisierung von Ausbauprojekten. Politikerinnen und Politiker der Grünen drangen auf Fortschritte beim ökologischen Umbau.
Diese selbst ernannte Fortschrittskoalition sorgt für Stillstand und Chaos im Land.
Thorsten Frei (CDU), Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag
SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast rief zur Kompromissbereitschaft auf. „Es ist wichtig, das Gemeinsame und nicht das Trennende zu betonen. Und da lohnt sich der Blick auf das, was wir bereits gemeinsam gestemmt haben“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Unser Ziel ist und bleibt, konkrete, sozial abgefederte Antworten für die Zukunft unseres Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger zu geben“, hob sie weiter hervor.
Die Opposition erhöhte den Druck und forderte von dem Treffen konkrete Lösungen. Bürgerinnen und Bürger seien wegen der „Arbeitsverweigerung der Ampel-Regierung“ verunsichert, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU) dem Tagesspiegel: „Diese selbst ernannte Fortschrittskoalition sorgt für Stillstand und Chaos im Land. Der Koalitionsausschuss muss am Ende greifbare Ergebnisse liefern, die den Bürgerinnen und Bürger nützen.“
Die Ampel-Klausur in Meseberg sei „offenkundig ein Event zum Teambuilding“ gewesen, habe aber sonst keine Beschlüsse gebracht. „Die Leute sind doch nur noch genervt wegen des gegenseitigen Blockierens und Streits von SPD, FDP und Grünen“, fügte der CDU-Politiker hinzu. Zu künftigen Heizungen sei „bisher nur heiße Luft aus dem Wirtschaftsministerium“, in der Verkehrspolitik würden die Koalitionäre „wie die ,Letzte Generation’ an ihren Positionen kleben“ und für einen Reformstau sorgen.
Beim Haushalt müssten Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) endlich Fakten schaffen. „Sonst wird‘s langsam peinlich“, warnte Frei. (mit AFP, dpa)
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